Heute dann zunächst mal zwei Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Zunächst ist es der LG Magdeburg, Beschl. v.20.06.2018 – 25 Qs 767 Js 8294/18 (56/18), den mir mal wieder der Kollege Funck aus Braunschweig geschickt hat. Vorgeworfen wird dem Angeklagten Nötigung sowie eine Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung. Der Angeklagte hat die Bestellung des Kollegen Funck als Pflichtverteidiger beantragt, was das AG abgelehnt hat. Dagegen die Beschwerde. Zur Begründung wird u.a. geltend gemacht, dass sich Zeugen den am wenigsten „unähnlichen“ Beteiligten einer Freundesgruppe auf „Facebook“ ausgesucht hätten und diesen dann als vermeintlich Verantwortlichen zur Rechenschaft hätten ziehen wollen. Es liege deshalb eine unzulässige Wahllichtbildvorlage vor, deren Aussagekraft für die Frage des Wiedererkennens gegen Null gehe. Das LG bestellt:
„Ersichtlich liegt hier die Schwere der Tat im Sinne von § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht vor. Jedoch ist eine schwierige Sachlage insofern gegeben, worauf der Angeklagte zutreffend über seinen Verteidiger verweist, als der Geschädigte pp. sowie seine Freundin pp. im Rahmen ihrer Zeugenvernehmungen vom 28. Juli 2017 bzw. 08. August 2017 angegeben haben, sie hätten den Angeklagten auf der „Facebook“-Seite eines Freundes wiedererkannt. Erst sodann ist eine polizeiliche Wahllichtbildvorlage am 15. August 2017 mit pp. und pp. erfolgt, in deren Rahmen sie erneut den Angeklagten wiedererkannt haben.
Zutreffend weist der Verteidiger für den Angeklagten darauf hin, dass eine solche gewissermaßen zweite Wiedererkennung durch einen Zeugen insofern problembehaftet ist, als der Zeuge womöglich nicht den vermeintlichen Täter selbst wiedererkennt, sondern lediglich die Person, die er im Rahmen der erstmaligen Wiedererkennung – in diesem Fall auf „Facebook“ – erkannt hat.
Gegenwärtig teilt die Kammer zwar die Bedenken des Angeklagten hinsichtlich der Auswahl der im Rahmen der Wahllichtbildvorlagen verwendeten Lichtbilder nicht. Gleichwohl stellt sich die Sachlage aufgrund der vorherigen Wiedererkennung auf dem Portal „Facebook“ als schwierig dar. Daher bedarf der Angeklagte zur adäquaten Verteidigung eines Pflichtverteidigers. Somit war der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 15. Mai 2018 aufzuheben und Rechtsanwalt pp. antragsgemäß als notwendiger Verteidiger des Angeklagten zu bestellen.“