Es ist zwar Ostermontag und damit Feiertag, aber: Ich mache hier mal ganz normal weiter. Feiern war gestern, heute ist schon mal ein wenig warm laufen für den morgigen normalen Arbeitstag. Und da passt das OLG Stuttgart, Urt. v. 20.02.2018 – 4 Rv 25 Ss 982/17 – ganz gut. Passt auch ganz gut zu Ostern. Denn nach dem dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt, war auch jemand auf der Suche 🙂 .
Das Urteil reiht sich ein in die Reihe einiger Entscheidungen, die wir in der letzten Zeit aus Stuttgart zur falschen Verdächtigung hatten und über die ich hier auch berichtet habe. Das war der OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.04.2017 – 1 Ws 42/17, (vgl. dazu “Sag doch, der war es”, oder: Anstiftung zur (falschen) Selbstbezichtigung – strafbar?, die Beschwerdeentscheidung zum LG Heilbronn, Beschl. v. 09.03.2017 – 8 KLs 24 Js 28058/15 (vgl. dazu Was Fachanwälte manchmal so alles machen, oder: Straflose Anstiftung zur (falschen) Selbstbezichtigung?) und das war das OLG Stuttgart, Urt. v. 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 (dazu: Strafverteidiger aufgepasst, oder: Finger weg von falschen Einlassungen/Verdächtigungen). In allen Entscheidungen geht es um die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) durch falsche Einlassungenund/oder Selbstbezichtigungen im Bußgeldverfahren. Dazu gibt es dann den Streit zwischen den Senaten des OLG Stuttgart: Der 1. Strafsenat kommt zur Straflosigkeit, der 2. Strafsenat kommt hingegen zur Strafbarkeit. Und jetzt dann der 4. Strafsenat, der (ebenfalls) zur Straflosigkeit kommt bei etwa folgendem Sachverhalt:
Dem Angeklagten wurde im Bußgeldverfahren eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt, für die an sich eine Geldbuße von 480 € und ein Fahrverbot von einem Monat fällig gewesen wäre. Die Ordnungsbehörde schickt dem Angeklagten einen Anhörungsbogen. Der möchte, was man ja grundsätzlich verstehen kann, nicht wegen der Ordnungswidrigkeit belangt werden. Er recherchiert ein wenig und findet dann eine Internetseite, auf der geworben wird: „Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot für Sie“. Mit der dahinter stehenden person, die im Verfahren unbekannt geblieben ist, trifft der Angeklagte eine Absprache. In deren „Erfüllung“ lässt der Angeklagte der Person per E-Mail das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde zukommen und überweist im Gegenzug 1.000 € auf ein Schweizer Bankkonto. Jemand anders als der Angeklagte füllt dann den Anhörungsbogen handschriftlich aus, gibt den Verstoß zu und erklärt, er sei der zur Tatzeit verantwortliche Fahrer, wobei ein Namen einer tatsächlich nicht existierenden Person unter einer Karlsruher Adresse angegeben wird. Und: Die Verwaltungsbehörde erlässt gegen diesen „Niemand“ einen Bußgeldbescheid und stellte zugleich das Verfahren gegen den Angeklagten ein. Bis die Verwaltungsbehörde dann erfährt, dass es einen Betroffenen mit den angegebenen Personalien tatsächlich nicht gibt, istbereits Verfolgungsverjährung hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eingetreten.
Das AG Reutlingen hatte den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB verurteilt, das LG hat ihn frei gesprochen. Und das OLG hat diesen Freispruch bestätigt. Begründung: „Ein anderer“ i.S. des § 164 Abs. 2 StGB muss eine tatsächlich existierende Person sein. Eine fiktive Person ist kein „anderer“ im Sinne des § 164 StGB.
Und: Nach Auffassusng des OLG auch keine Strafbarkeit wegen:
- Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB
- Beteiligung an einem Vortäuschen einer Straftat (§ 145d Abs. 2 StGB)
- Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB
- versuchter mittelbarer Falschbeurkundung nach § 271 Abs. 1, 4, §§ 22, 23 StGB.
Also: Der Angeklagte geht straflos aus. M.E. aber dennoch nicht zur Nachahmung empfohlen.
Was mich nun noch interessiert bzw. interessieren würde. Warum kommen alle Entscheidungen – jedenfals, die, die ich aus der letzten Zeit dazu kenne – aus dem Bezirk des OLG Stuttgart?
Nicht dass hier der schon mehrfach involvierte „Fachanwalt für Strafrecht, insbesondere Ordnungswidrigkeiten- und Fahrerlaubnisrecht“ aus Heilbronn seine Beratung weiter perfektioniert hat …