Zunächst heute dann zwei Entscheidungen des BGH zu Durchscuhungsfragen. An der Spitze der BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – 1 StR 279/17, ergangen in einem Verfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung. Der BGH hebt die landgerichtliche Verurteilung auf, denn: Die Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 ist verjährt. Es hat zwar Durchsuchungsbeschlüsse gegeben, die die Verjährung hätten unterbrechen können, aber:
- „Den Beschlüssen kommt jedoch keine Unterbrechungswirkung zu. Sie beziehen sich nicht im Sinne von § 78c Abs. 4 StGB auf den Angeklagten. Verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten solche richterlichen Entscheidungen gegen einen Tatverdächtigen lediglich, wenn sie sich bereits auf einen solchen beziehen (BGH, Beschluss vom 6. März 2007 – KRB 1/07, NStZ 2008, 158 f.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die vorgenannten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse richten sich als namentlich erfasste Beschuldigte gegen G. (Beschluss vom 24. Juli 2013) sowie gegen Ku. (Beschluss vom 29. Juli 2013). Unter diesen Namen sind die beiden in den hier fraglichen Veranlagungszeiträumen als Geschäftsführer der N. in das Handelsregister eingetragenen Personen aufgetreten. Ausweislich der entsprechenden Beschlüsse sind diese gegen Ku. bzw. G. ergangen, weil sie als (eingetragene) Geschäftsführer verdächtigt wurden, Steuerhinterziehung zugunsten der N. begangen zu haben.
- Auch wenn es sich nach den Feststellungen des Landgerichts bei Ku. und G. nicht um unter diesen Namen und den sonstigen bekannten Personaldaten (vor allem denjenigen aus den Identitätskarten bzw. Ausweisen) existierende Personen handelt, konnten die Durchsuchungsbeschlüsse keine Unterbrechungswirkung in Bezug auf den Angeklagten herbeiführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowohl zum Straf- als auch zum Ordnungswidrigkeitenrecht können richterliche Handlungen die Verjährungsfrist lediglich gegen bestimmte Personen nicht aber gegen noch unbekannte Täter unterbrechen (BGH, Beschlüsse vom 16. März 1972 – 4 StR 55/72, BGHSt 24, 321, 323 und vom 6. März 2007 – KRB 1/07, NStZ 2008, 158 f., jeweils mwN; siehe auch Fischer, StGB, 64. Aufl., § 78c Rn. 14). Zwar braucht sich die Unterbrechungshandlung nicht gegen den Täter unter seinem richtigen Namen zu richten (BGH, Beschlüsse vom 16. März 1972 – 4 StR 55/72, BGHSt 24, 321, 323 und vom 29. Oktober 1996 – 4 StR 394/96, BGHSt 42, 283, 290). Allerdings müssen Merkmale bekannt sein, die den Täter sicher individuell bestimmen. Dabei ist es wegen der Bedeutung der Verjährung und der Rechtssicherheit erforderlich, dass der Täter aufgrund bei den Akten befindlicher Unterlagen bestimmt werden kann (BGH, Beschlüsse vom 16. März 1972 – 4 StR 55/72, BGHSt 24, 321, 323 und vom 6. März 2007 – KRB 1/07, NStZ 2008, 158 f.). Er muss als Tatverdächtiger im Zeitpunkt der fraglichen Unterbrechungshandlung in den Akten genannt sein (BGH, Beschluss vom 6. März 2007 – KRB 1/07, NStZ 2008, 158 f.).
- Diese Voraussetzungen einer Identifizierung des Angeklagten als Tatverdächtiger waren bei Ergehen der Durchsuchungsbeschlüsse nicht gegeben. Wie sich insbesondere aus dem Vermerk der zuständigen Dezernentin der Staatsanwaltschaft München I vom 2. Juli 2015 (Bl. 348 Band I der Strafakten) ergibt, ist den Ermittlungsbehörden erst zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden, dass die bislang als Beschuldigte Geführten (u.a. G. und Ku. ) nicht existieren und möglicherweise der (jetzige) Angeklagte „Hintermann“ des Unternehmens N. ist. Selbst am 2. Juli 2015, mithin nach Ablauf der Verjährungsfrist, lagen nach der in dem genannten Vermerk erfolgten Bewertung der Staatsanwaltschaft aber noch keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht gegen den Angeklagten vor. Dies schließt es aus, anzunehmen, der Angeklagte sei bei Erlass der Durchsuchungsbeschlüsse im Juli 2013 als Tatverdächtiger in den Akten des Verfahrens genannt. Es handelt sich damit auch nicht um eine Konstellation, in der Unterbrechungshandlungen gegen eine bereits als Tatverdächtiger erkannte Person lediglich unter einem unrichtigen Namen durchgeführt werden. Das Strafverfahren hat sich jedenfalls bis Anfang Juli 2015 ausschließlich gegen die formellen Geschäftsführer der N. gerichtet. Der Verdacht einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten als faktischer Geschäftsführer bzw. Verfügungsberechtigter i.S.v. § 35 AO (dazu näher BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 236 ff. Rn. 78 ff.) der N. hat vor Anfang Juli 2015 nicht bestanden.“
Merke: Je mehr man lügt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung.
Soviel zum Thema Wahrheitsfindung.
Was hat das denn mit dem Beschluss zu tun?
Mit dem Beschluss nur am Rande: Er zeigt einen Fehler in unserem Rechtssystem auf.
Und den sehen Sie wo? Foltern bis man die Wahrheit kennt….