Besetzungsentscheidung, oder: Das macht man (immer) in der Dreierbesetzung

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Heute – ich bin in Kuala Lumpur – gehen dann drei verfahrensrechtliche Entscheidungen online. Zunächst jetzt der BGH, Beschl. v. 27.07.2017 – 1 StR 596/16 – mit einer m.E. ganz interessanten (Besetzungs)Frage. Der vom Angeklagten mit der Revision erhobenen Besetzungsrüge lage folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

„Die 5. Strafkammer des Landgerichts München I hatte mit der Eröffnung des Verfahrens gegen den Angeklagten und zwei weitere Mitangeklagte am 3. Dezember 2013 beschlossen, dass sie mit drei Richtern, einschließlich Vorsitzendem, besetzt ist. Während der bereits laufenden Hauptverhandlung im Kalenderjahr 2014 wurde das Verfahren gegen den Angeklagten wegen einer Erkrankung am 15. April 2014 abgetrennt und ausgesetzt. Die beiden Mitangeklagten wurden am 15. April 2014 verurteilt. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 bestätigte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch gegen die Mitangeklagten, wies die Sache jedoch im Hinblick auf den Strafausspruch zu neuer Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.

Daraufhin verfügte die zu diesem Zeitpunkt neue Vorsitzende der 5. Strafkammer des Landgerichts München I am 21. April 2016, dass das Verfahren gegen den Angeklagten nunmehr in Zweierbesetzung, nämlich durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht W. sowie Richter am Landgericht S. als Beisitzer, durchgeführt werde. Dies wurde dem Angeklagten schriftlich mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 wurde der Angeklagte zudem auf Verfügung der Vorsitzenden darüber benachrichtigt, dass in der am 17. Juni 2016 beginnenden Hauptverhandlung eine Ergänzungsrichterin mitwirken würde. Als Ergänzungsrichterin wurde Richterin am Landgericht H. bestimmt.

Am ersten Hauptverhandlungstag, dem 17. Juni 2016, teilte die Vorsitzende Richterin mit, Richter am Landgericht S. sei erkrankt und werde durch die Richterin am Landgericht H. als Beisitzerin ersetzt.

Danach verlas der Verteidiger des Angeklagten einen Besetzungseinwand und gab diesen als Anlage zu Protokoll. Mit seinem Besetzungseinwand rügte er, die Strafkammer hätte mit drei Richtern einschließlich Vorsitzendem und zwei Schöffen besetzt sein müssen. Die Kammer habe mit Eröffnung des Verfahrens vom 3. Dezember 2013 eine Dreierbesetzung beschlossen. Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 21. April 2016 sei die Besetzung der Kammer auf zwei Berufsrichter einschließlich Vorsitzender reduziert und später eine Ergänzungsrichterin bestimmt worden. Die Besetzung der Kammer erweise sich als vorschriftswidrig, da die Kammer mit dem Eröffnungsbeschluss bestimmt hatte, dass sie mit drei Berufsrichtern einschließlich Vorsitzendem besetzt sei.

Die Hauptverhandlung wurde nach kurzer Unterbrechung fortgesetzt. Die Vorsitzende verkündete den nach geheimer Beratung des Gerichts gefassten Beschluss, mit dem der Besetzungseinwand, mit der Begründung, nach Aussetzung des Verfahrens könne die Besetzungsentscheidung geändert werden, zurückgewiesen wurde. Der Umfang der Sache erfordere nicht (mehr) die Mitwirkung eines dritten Richters. Es seien nur fünf Verhandlungstage angesetzt. Die Hauptverhandlung richte sich nunmehr gegen einen Angeklagten.

Die Hauptverhandlung wurde mit den zwei Berufsrichtern, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W. und der Richterin am Landgericht H., durchgeführt.

Vor diesem Hintergrund hat der Angeklagte gerügt, dass LG in der Hauptverhandlung nur mit zwei Berufsrichtern besetzt war, obwohl eine Besetzung mit drei Berufsrichtern beschlossen worden war. Und der BGH sagt: Zu Recht:

„aa) Die Strafkammer hätte in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln müssen. Denn es lag keine wirksame Reduzierung der Besetzung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 4 bzw. Abs. 5 GVG vor. Die Verhandlung mit zwei Berufsrichtern nebst Schöffen verstieß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 1 StPO und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

bb) Das Gesetz sieht Beschlüsse über die Reduzierung der Besetzung der Strafkammer im Allgemeinen nur außerhalb der Hauptverhandlung vor. Die Entscheidung über die Besetzung ist grundsätzlich bei der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 GVG) und in derselben Besetzung (BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248 Rn. 12). Dies ist vorliegend zunächst durch den Beschluss der Strafkammer vom 3. Dezember 2013 geschehen.

Nach den Voraussetzungen des § 76 Abs. 5 GVG kann die jeweils zu-ständige Strafkammer erneut nach Maßgabe von § 76 Abs. 2 und 3 GVG über ihre Besetzung entscheiden. Auch dann erfolgt die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung.

cc) Ein wirksamer Beschluss über die Besetzungsreduzierung liegt indes nicht vor. Der Beschluss der Strafkammer am ersten Hauptverhandlungstag über den Besetzungseinwand, stellt keinen solchen (wirksamen) Beschluss dar. Denn selbst wenn aufgrund eines Besetzungseinwands in der Hauptverhandlung über die Besetzung der Strafkammer zu entscheiden ist, bleibt hierfür die Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung zuständig (§ 222b Abs. 2 Satz 1 StPO; BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248 Rn. 13).

Die Besetzungsentscheidung durch zwei Berufsrichter und zwei Schöffen ist daher fehlerhaft getroffen worden und unwirksam. Dies führt dazu, dass der Besetzungsbeschluss der Kammer vom 3. Dezember 2013 weiterhin maßgeb-lich war und die Kammer in Dreierbesetzung hätte verhandeln müssen.“

Manchmal versteht man Strafkammern wirklich nicht: BGHST 60, 248!!!!