Den letzten Tag der Woche beschließen dann – vor dem RVG-Rätsel – zwei BGH-Entscheidungen. Ich beginne mir dem BGH, Beschl. v. 14.09.2017 – 4 StR 274/16. Gegenstand der Entscheidung: Rechtsbeugung (§ 339 StGB) durch einen Staatsanwalt. Das LG Freiburg hatte in dem Verfahren einen Staatsanwalt u.a. wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des LG hatte der Angeklagte in sechs Fällen ausermittelte, anklagereife Ermittlungsverfahren nicht weiter bearbeitet, nachdem er sie zuvor mit Hilfe von Scheinverfügungen aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hatte austragen lassen und so der Aufsicht seiner Dienstvorgesetzten entzogen hatte. In zwei dieser Fälle trat schließlich Verfolgungsverjährung ein, die anderen vier Verfahren wurden nach Aufdeckung der unterbliebenen Erledigung und nach der Suspendierung des Angeklagten zum ordnungsgemäßen Abschluss gebracht. Wer weitere Einzelh. braucht: Bitte in der 21 Seiten langen Entscheidung nachlesen.
Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten die Verurteilung in den vier Fällen, in denen keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist, aufgehoben, weil die Voraussetzungen der Rechtsbeugung vom LG nicht hinreichend festgestellt seien. In den beiden anderen Fällen hat er die verhängten Strafen aufgehoben, weil das LG möglicherweise bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung von einem zu großen Schuldumfang des Angeklagten ausgegangen ist. Verwiesen wordne ist an das LG Karlsruhe.
Wie gesagt: Der BGH-Beschluss ist 21 Seiten lang. Das kann man hier nicht alles darstellen, sondern man kann nur „Obersätze“ bilden/herausgreifen, und zwar:
- Ein Staatsanwalt kann Täter einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB sein, wenn er wie ein Richter in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren zu entscheiden hat und dabei einen gewissen Grad sachlicher Unabhängigkeit genießt.
- Als eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht.
- Eine Rechtsbeugung kann grundsätzlich auch durch einen Verstoß gegen Verfahrensrecht begangen werden.
- Hat der Täter Verfahrensrecht durch ein Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verletzt, wird das Tatbestandsmerkmal der Rechtsbeugung in der Regel nur dann als erfüllt angesehen werden können, wenn eine rechtlich eindeutig gebotene Handlung unterblieben ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Richter oder Staatsanwalt bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen hat, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht oder wenn er untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten.
- Die bewusste Nichterhebung der öffentlichen Klage in einem anklagereifen Ermittlungsverfahren mit der Folge, dass es im Falle des Unterlassens zum Eintritt der Verfolgungsverjährung kommt, ist für sich genommen grundsätzlich eine schwerwiegende Verletzung des Verfahrensrechts und verstößt gegen ein eindeutiges gesetzliches Handlungsgebot.
Und ich bin heute in Muscat/Oman. Schöne Stadt/Gegend. Da war ich schon mal 🙂 .