Die fehlenden Feststellungen zum Wirkstoffgehalt bei den BtM-Verfahren/-Verurteilungen sind inzwischen ein Klassiker. Ihc habe erst vor kurzem auf die insoweit erforderlichen Feststellungen hingewiesen. Hier dann – zur Festigung 🙂 – noch eine Entscheidung des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 20.06.2017 – 1 StR 213/17 – betreffend ein Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.:
„Die Feststellungen zu den Fällen 1 – 6 sowie 8 und 9 der Urteilsgründe tragen die Schuldsprüche. Der Schuldspruch der Angeklagten für die im Fall 7 der Urteilsgründe festgestellte Tat hat hingegen keinen Bestand.
Das Landgericht hat nur im Fall 8 der Urteilsgründe – gestützt auf ein Sachverständigengutachten – konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels getroffen. Im Übrigen hat das Landgericht eine Schätzung „unter Berücksichtigung aller Umstände“, insbesondere der Angaben der Angeklagten zum An- und Verkaufspreis sowie zur Qualität des Methamphetamins („heftige Qualität“), vorgenommen und ist in den Fällen 1 – 7 und 9 der Urteils-gründe jeweils durchgängig von einem Wirkstoffgehalt von 60 % Methamphe-taminbase ausgegangen.
Das Tatgericht darf allerdings nur dann den Wirkstoffgehalt – notfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes – unter Berücksichtigung der sicher festgestellten Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbe-teiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.) durch eine „Schätzung“ festlegen, soweit konkrete Feststellungen zur Wirkstoffkonzentration nicht getroffen werden können, wenn die Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht (mehr) zur Verfügung stehen (BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2016 – 1 StR 43/16, NStZ-RR 2016, 247; vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 und vom 6. August 2013 – 3 StR 212/13, StV 2013, 703; Patzak in Körner/ Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 331 ff. mwN).
Die Schätzung des Landgerichts ist zudem nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat bereits nicht geprüft, ob aus dem konkret festgestellten Wirkstoffgehalt in Fall 8 – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Einkaufspreise – Rückschlüsse auf den Wirkstoffgehalt der jeweiligen Betäubungsmittel in den anderen Fällen möglich waren. Zudem ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Landgericht bei unterschiedlichen Einkaufspreisen immer denselben Wirkstoffgehalt von 60 % Methamphetaminbase zu-grunde legt.
Dieser Rechtsfehler betrifft durchgreifend aber lediglich den Schuldspruch in Fall 7, da insoweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei rechtsfehlerfreier Bestimmung bzw. Schätzung des Wirkstoffgehalts die nicht geringe Menge unterschritten wird. In den Fällen 1 – 4 und 6 der Urteilsgründe kann der Senat angesichts des An- und Verkaufs jeweils größerer Mengen von Betäubungsmitteln und der jeweiligen Preise ausschließen, dass im Einzelfall die Grenze zur nicht geringen Menge unterschritten wurde (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 StR 43/16, NStZ-RR 2016, 247; Urteil vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, NJW 1994, 1885; Patzak in Körner/ Patzak/Volkmer aaO, Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 214). In den Fällen 5 und 9 der Urteilsgründe verbleibt es – unabhängig von dem Rechtsfehler – ohnehin jeweils bei dem Schuldspruch wegen unerlaubten Erwerbs in Tateinheit mit uner-laubter Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG.
2. Der Strafausspruch hält in den Fällen 1 – 6 sowie 9 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie dargelegt, fehlt es in diesen Fällen an der Feststellung des Wirkstoffgehalts der jeweiligen Betäubungsmittel und damit an der Feststellung eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge des Rauschgifts bestimmt. Für eine sachgerechte schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht kann auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt deshalb regelmäßig nicht verzichtet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2016 – 1 StR 43/16, NStZ-RR 2016, 247; vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 und vom 6. August 2013 – 3 StR 212/13, StV 2013, 703, je mwN).