Der VG Würzburg, Beschl. v. 11.07.2017 – W 8 M 17.30937 – rückt noch einmal eine Frage in den Fokus, die mit der Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten eines auswärtigen Rechtsanwaltes zusammenhängt. Die Entscheidung ist zwar in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren ergangen, die Problematik stellt sich aber auch in anderen Verfahrenszweigen.Hier hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren einen Bevollmächtigten aus Münster. Der war im zur mündlichen Verhandlung am 19.10.2016, 11:00 Uhr schon am Vortag aus Münster nach Würzburg angereist und hatte dort übernachtet. Die Übernachtungskosten hat er dann zur Erstattung angemledet (Nr. 7006 VV RVG). Sie sind nicht festgesetzt worden:
„Jedoch sind die konkret geltend gemachten Übernachtungskosten nicht angemessen. Denn sonstige Auslagen, zu denen auch die Übernachtungskosten eines auswärtigen Rechtsanwalts gehören, sind nach Nr. 7006 VV RVG als Auslagen nur erstattungsfähig, soweit sie angemessen sind. Gerade bei den Übernachtungskosten ist die Angemessenheit zu prüfen. Nur wenn eine Übernachtung erforderlich ist, sind die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten zu vergüten. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn die Übernachtung zweckmäßig, jedenfalls aber wenn eine Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Hiervon geht die Rechtsprechung aus, wenn der Reiseantritt vor 06:00 Uhr morgens läge bzw. die Rückreise nach 22:00 Uhr abends angetreten werden müsste (vgl. Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nr. 7006 VV RVG Rn. 3 m.w.N.). Erforderlich ist eine Reise, die ein Beteiligter in der maßgeblichen Situation zur Führung des Rechtsstreits und zum Erreichen des angestrebten Prozesserfolges als sachdienlich ansehen darf. Wegen der so genannten Kostenminimierungspflicht ist jeder Beteiligte, dies bezieht sich auch auf den Bevollmächtigten, verpflichtet, die Kosten so niedrig zu halten, wie sich das mit der Wahrung der prozessualen Belange vereinbaren lässt. Nur solche Aufwendungen sind erstattungsfähig, die ein objektiver und verständiger Beteiligter, der sich bemüht, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, im Zeitpunkt ihres Anfalls (ex-ante-Sicht) nach Art und Höhe als geeignet, erforderlich und angemessen ansehen würde, um das mit ihnen zu befördernde prozessuale Ziel unter voller Berücksichtigung seiner sämtlichen berechtigten Belange zu erreichen (vgl. BFH, B.v. 15.6.2015 – III R 17/13 – AGS 2015, 412; Kunze in Beck’scher Online-Kommentar, VwGO, Hrsg. Posser/Wolff, 41. Edition, 1.4.2017, § 162 Rn. 51 und 78.3).
Ausgehend davon waren die Übernachtungskosten (Hotel) in Höhe von 126,20 EUR mangels Angemessenheit nicht erstattungsfähig. Denn erstattungsfähige Prozesskosten sind die Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, am Tag des Termins der mündlichen Verhandlung anzureisen. Einem Bevollmächtigten kann es etwa nicht abverlangt werden, die in der Rechtssache notwendig werdenden Reisen in der Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr anzusehen. Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte seine Wohnung vor 06:00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, müsste dieser nicht durchführen. Dem Bevollmächtigten ist nicht zuzumuten, die Reise vor 06:00 Uhr anzutreten. Ein Reisantritt ab 06:00 Uhr ist indes im Regelfall zumutbar (vgl. OLG LSA, B.v. 8.6.2016 – 12 W 36/16 [KfB] – AGS 2016, 593; OLG Nürnberg, B.v. 13.12.2012 – 12 W 2180/12 – AGS 2013, 201; OLG Koblenz, B.v. 21.9.2010 – 14 W 528/10 – AGS 2012, 50; Hanseatisches OLG Hamburg, B.v. 3.3.2010 – 4 W 249/09 – AGS 2011, 463).
Demnach verfängt der Einwand des Prozessbevollmächtigten nicht, ihm sei nicht zuzumuten gewesen, schon um 06:00 Uhr seine Reise zum Termin anzutreten. Von 06:00 Uhr bis 11:00 Uhr (5 Stunden) war ausreichend Zeit, insbesondere mit dem Pkw von Münster nach Würzburg anzureisen. Bei einer laut Routenplaner knapp vierstündigen Fahrtdauer erscheint es auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Pause sowie einer rechtzeitigen Ankunft am Terminsort zumutbar, am Verhandlungstag selbst anzureisen. Bei einem Fahrtbeginn um 06:00 Uhr bestand auch ein ausreichender zeitlicher Puffer. Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, etwa das hohe Alter des Prozessbevollmächtigten, bekannte erhöhte Staugefahren oder winterliche Straßenverhältnisse (vgl. OLG LSA, B.v. 8.6.2016 – 12 W 36/16 [KfB] – AGS 2016, 593) wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht sonst ersichtlich. Subjektive Schlafgewohnheiten rechtfertigen keine Ausnahme.
Hinzu kommt, dass das Gericht den Termin eigens auf 11:00 Uhr terminiert hatte, um eine Anreise am Reisetag zu ermöglichen. Ein Verlegungsantrag wurde nicht gestellt, insbesondere nicht eine spätere Terminierung am Verhandlungstag. Im Übrigen ist es beim Verwaltungsgericht Würzburg – wie wohl auch bei den meisten anderen Gerichten – gängige Praxis, bei kurzfristigen verkehrsbedingten Verschiebungen ohne Nachteile für den Betreffenden auf das (unverschuldet verspätete) Erscheinen des Prozessbevollmächtigten zu warten.“
Nun ja, kann man so machen, wie es die h.M. in der Rechstprechung macht. Zwingend ist das m.E. allerdings nicht. Denn an einem Tag von Münster nach Würzburg und wieder zurück und zusätzlich ein Verhandlungstermin ist schon ganz schön happig. Zumal die 5 Stunden Fahrtzeit auch kaum einzuhalten sein werden. Ich wage die Behauptung: Der ein oder andere Angehörige des öffentlichen Dienstes wird aus einem solchen Termin sicherlich eine Dienstreise mit Übernachtung machen.
Der letzte Satz trifft es perfekt!!! Kein Mensch macht sich beim VG offenkundig Gedanken über die dann auch erforderliche Rückreise am selben Tag- was soll sowas? Es fehlt eigentlich nur noch das Argument man könne ja auch einen Unterbevollmächtigten beauftragen….
Nächstes mal den Kanzleisenior beauftragen, der darf es gemütlicher angehen.
Die Sinnhaftigkeit dieses Kommentars erschließt sich mir nicht.
Das bezieht sich wohl auf diese Passage:
„Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, etwa das hohe Alter des Prozessbevollmächtigten, …“
„Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, etwa das hohe Alter des Prozessbevollmächtigten…“
ok, geht doch 🙂
@ Detlef Burhoff
Ich glaube, Hans Dampf bezieht sich auf die Stelle im Urteil, dass andere Gründe („etwa das Hohe Alter des Prozessbevollmächtigten“) nicht ersichtlich waren.
@ Allgemein
– das man 6:00 aufbrechen (= ~ 5:00 aufstehen) als zumutbar ansieht, halte ich schon für ein starkes Stück. Insbesondere der Satz „subjektive Schlafgewohnheiten interessieren uns nicht“ . Dass es einen nicht beeinflussbar Biorhythmus gibt, scheint sich bis zum Gericht nicht rumgesprochen zu haben. Wenn dann so jemand fünf Stunden Auto fahren soll, dann doch lieber ausgeschlafen. Ok, ich verstehe, dass man ein mehr allgemeinere Kriterium braucht weil man sonst befürchtet, dass jeder je nach Termin Langschlaefer oder Frühaufsteher ist. Aber dann sollte man doch bitte von dem typischen Büroanfang ausgehen, also so um die 8:00 (immer noch früh für mich), was hiesse 7:30 / 7:00 aus dem Haus gehen
– das Argument mit „Verkehrsbedingt fangen wir auch gerne später an“ ist doch quatsch – erstens mal muss der Anwalt aus MS nicht unbedingt die informellen Gepflogenheiten in WB kennen, und weiter wird es dann lustig wenn man es so macht, in einen Stau etc. Kommt und das andere Gericht dann sagt „Pech gehabt, wir fangen hier pünktlich an“ . Ganz zu schweigen davon, dass man unterwegs auch erst mal in der Lage sein muss, jemanden beim Gericht zu kontaktieren.
– was mich aber wirklich verwirrt hat ist der Satz bzgl Abfahrt ab 6:00 fuer Hinfahrt und bis 22:00 fuer Rückfahrt – heisst das, man erwartet hier im Szenario, dass man im Zweifel um 5:00 aufsteht, fünf Stunden Auto fährt, sich eine lange Verhandlung antut, und dann um 22:00 nochmal fuer fünf Stunden Rückweg aufbricht, also erst um 3:00 wieder zu Hause ist?!?
nee, 22.00 Uhr wieder daheim. Aber die Rechtsprechung ist in der Frage ziemlich uneinheitlich……
Im öffentlichen Dienst wird im Regelfall niemand aus Münster nach Würzburg fahren, sondern die örtlich zuständige Behörde um Amtshilfe ersucht werden … mit allen Reibungsverlusten, die dadurch oft entstehen. Insofern könnte man sich schon auf den Standpunkt stellen, wer aus Münster Mandate mit Terminen in Würzburg annimmt, muss auch selbst dafür Aufwand treiben. (Mir ist klar, dass man das auch anders sehen kann.)
(Fragt sich dann noch: Beginnt in Strafsachen – konsequenterweise – der Tag eigentlich auch reisekostenrechtlich im Sommer um 4 Uhr? ;-))
Ein „normaler“ Arbeitnehmer dürfte nicht am selben Tag 10 Stunden dienstlich fahren und dazwischen noch weitere berufliche Tätigkeiten durchführen.