Bei dem zweiten Posting des heutigen Tages geht es um einen Beschluss des LG Duisburg, der in einem Bußgeldverfahren ergangen ist. Gegen den Betroffen lag ein Bußgeldbescheid über 80 € vor. Nachdem der Bescheid rechtskräftig geworden ist, wird über das Vermögen des Betroffenen das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Bußgeld wird (deshalb) nicht gezahlt. Da AG ordnet drei Tage Erzwingungshaft gegen den Betroffenen an. Dagegen seine Beschwerde, über die das LG Duisburg dann mit dem LG Duisburg, Beschl. v. 05.07.2017 – 69 Qs 22/17 – entschieden hat. Es sieht die Erzwingungshaft als Maßnahme der Zwangsvollstreckung gegen den Betroffenen wegen des laufenden Insolvenzverfahrens nicht zulässig sei:
Die Anordnung der Erzwingungshaft war im vorliegenden Verfahren unzulässig, weil sie während der Dauer des Insolvenzverfahrens erfolgte. Dies ergibt sich aus §§ 89 Abs. 1, 294 Abs. 1 InsO, wonach Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig sind (vgl. Beschluss der Kammer vom 4. Juni 2014 – 69 Qs 7/14, abrufbar über juris; vgl. des Weiteren: LG Hannover, Beschluss vom 7. September 2009 – 48 Qs (OWi) 101/09 – zitiert nach juris; LG Bochum, Beschluss vom 4. Dezember 2012 – 9 Qs 86/12 – zitiert nach juris, LG Hechingen, Beschluss vom 24. Mai 2007 – 1 Qs 49/07 OWi).
Der die Vollstreckung wegen der Geldbuße Betreibende ist Insolvenzgläubiger, da § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO ausdrücklich denjenigen, der wegen einer Geldbuße vollstreckt, als nachrangigen Insolvenzgläubiger bezeichnet und ihm eine Stellung innerhalb der Reihenfolge der Insolvenzgläubiger zuweist.
Die Anordnung der Erzwingungshaft nach § 96 OWiG ist ferner eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO. Sie ist ein Beugemittel, mit dem die Zahlung der Geldbuße gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen erzwungen werden soll. Die Vorschrift gehört entsprechend zum neunten Abschnitt des OWiG “Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen”. Die Gegenansicht, dass die Anordnung der Erzwingungshaft keine Zwangsvollstreckung im Sinne von § 89 InsO sei, da sie nur ein Beugemittel sei, das nicht der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf die Geldbuße diene, sondern der Erfüllung des staatlichen Anspruchs auf Mitwirkung des Betroffenen (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 3.Juli 2006 – 505 Qs 54/06 – NJW 2007, 1541, 1542), überzeugt nicht. Ziel der Anordnung der Erzwingungshaft ist die Zahlung der Geldbuße. Abzulehnen ist auch die Ansicht, § 89 InsO erfasse nur Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der ZPO (vgl. LG Potsdam, Beschluss vom 14. September 2006 – 21 Qs 108/06 – NStZ 2007, 293). Begründet wird diese Ansicht mit einem Verweis auf S. 156 der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, Bundestagsdrucksache 12/7302. Dort führte der Rechtsausschuss aus, dass § 12 InsO des Regierungsentwurfs, in dem es geheißen hatte, dass Zwangsvollstreckung im Sinne der Insolvenzordnung auch die Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung sei, entbehrlich erscheine, weil der Begriff der Zwangsvollstreckung auch ohne diese Vorschrift als Oberbegriff im Sinne der Terminologie der Zivilprozessordnung verstanden werde und dort im Achten Buch unter der Bezeichnung “Zwangsvollstreckung” sowohl die Einzelzwangsvollstreckung als auch der Arrest und die einstweilige Verfügung abgehandelt seien. Diese Ausführungen des Rechtsausschusses beziehen sich nur auf eine Problematik im Bereich der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung und lassen sich nicht dahin deuten, dass nach dem Willen des Rechtsausschusses Zwangsvollstreckungen außerhalb der Zivilprozessordnung keine Zwangsvollstreckungen im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO sein sollen. Im oben zitierten Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 12/2443, S. 137 f.) ist in der Begründung des Verbotes der Einzelvollstreckung während des Insolvenzverfahrens (§ 100 InsO-Entwurf, jetzt § 89 InsO) auch nichts dazu gesagt, dass nach dem Willen der Bundesregierung entgegen der früheren Rechtslage nach der Konkursordnung nur Zwangsvollstreckungen nach der Zivilprozessordnung Zwangsvollstreckungen im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO sein sollen (so auch LG Hechingen, a.a.O.).
Der Wortlaut und die Systematik der Vorschriften §§ 39 Abs. 1, 87 ff. InsO sprechen ebenfalls gegen eine solche enge Auslegung des Begriffs Zwangsvollstreckung in § 89 InsO. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird derjenige, der die Vollstreckung wegen einer Geldbuße betreibt, gerade als nachrangiger Insolvenzgläubiger eingestuft. Damit ließe es sich schlecht vereinbaren, wenn eine solche Zwangsvollstreckung während des Insolvenzverfahrens uneingeschränkt zulässig bliebe und dieser Gläubiger damit privilegiert würde.“
Cool. Gilt das auch für 890 ZPO, also keine ersatzweise Ordnungshaft, wenn das Ordnungsgeld nicht gezahlt werden kann?
IdR nein. Zwar ist das vor der Verfahrenseröffnung festgesetzte Ordnungsgeld seiner Rechtsnatur nach Insolvenzforderung und darf nicht mehr vollstreckt werden. Die Ordnungshaft – auch die Ersatz-Ordnungshaft – vollstreckt aber nicht das Ordnungsgeld, sondern den zugrundeliegenden Unterlassungstitel. Und der tituliert idR einen nicht unter § 38 InsO fallenden Unterlassungsanspruch gegen den Insolvenzschuldner persönlich.
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