Im „Kessel Buntes“ dann heute zunächst eine verwaltungsrechtliche Entscheidung mit straf(verfahrens)rechtlichen Berührungspunkten. Es geht um einen Arzt, dem von der Verwaltungsbehörde die Approbation entzogen worden ist. Hintergrund sind mehrere (Ermittlungs)Verfahren mit Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe gegen (jüngere) Patientinnen, die allerdings alle nach §§ 153, 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind. In einem Verfahren hatte die StA Anklage erhoben, diese aber nach Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zurückgenommen; auch das Verfahren ist dann eingestellt worden.
Der betroffene Arzt hat sich gegenüber der Widerrufsverfügung auf die Unschuldsvermutung berufen. Das VG Köln hat dann im VG Köln, Urt. v. 30.05.2017 – 7 K 1352/17 – den Widerruf bestätigt und meint: Die Voraussetzungen für den Widerruf der ärztlichen Approbation sind erfüllt, da der Kläger unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei. Der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit setze nicht voraus, dass ein schwerwiegendes berufswidriges Verhalten die Grenze der Strafbarkeit überschreitet:
„Als des Arztberufs unwürdig erweist sich insbesondere, wer die Würde oder die seelische und körperliche Integrität von Menschen missachtet. Ein Arzt soll Leiden lindern – nicht auslösen. Wer Menschen aus sexueller Motivation zu bloßen Objekten herabwürdigt, ist nicht würdig, heilend zu helfen. (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 06.02.2017, a.a.O., Rz. 22.)
Der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit setzt nicht voraus, dass ein schwerwiegendes berufswidriges Verhalten die Grenze der Strafbarkeit überschreitet. (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.05.2016 – 13 B 275/16 -, juris, Rz. 9.)
Verwaltungsbehörde und -gericht sind bei ihrer Entscheidung über den Widerruf nicht auf eine strafgerichtliche Verurteilung angewiesen oder an staatsanwaltliche oder an strafgerichtliche Einstellungsentscheidungen gebunden, sondern ermitteln eigenständig die relevanten Sachverhalte und bewerten diese nach der einschlägigen Rechtslage. Denn die gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist mit anderen Voraussetzungen und Rechtsfolgen verknüpft als die strafrechtliche. Deshalb ist – entgegen der Auffassung des Klägers – im Verwaltungsverfahren auch nicht der Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) anwendbar, wonach ein Verdächtigter bis zum gesetzlichen Beweis seiner Schuld als unschuldig gilt. Der Approbationswiderruf stellt keine (repressive) Strafe dar und enthält auch keine individuelle Schuldzuweisung, sondern dient ausschließlich (präventiv) der Abwehr behandlungsspezifischer Gefahren. (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 06.02.2017, a.a.O., Rz. 12 m.w.N.)
Das beklagte Land hat den Kläger zu Recht als unwürdig erachtet, den Arztberuf auszuüben. Dies steht für das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den diversen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren, im strafgerichtlichen Verfahren und im Verwaltungsverfahren gewonnenen bzw. bestätigten Erkenntnisse fest. Danach hat der Kläger über lange Zeiträume Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die ihn als hochgefährlich im Umgang mit Untergebenen im Allgemeinen und mit Patienten im Besonderen zeigen: In seinen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen, Patientinnen und Kindern ist er grenztestend und -überschreitend vorgegangen. Dabei war er immer wieder darauf bedacht, persönliche Schwächen bei anderen zu erkennen und auszunutzen sowie Abhängigkeitsverhältnisse zu seinen Gunsten aufzubauen. Innerhalb der Personalstruktur seiner Praxis hat er manipulativ und intrigant eine über die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis weit hinausgehende Machtposition eingenommen und diese mit psychischem Druck und Drohungen behauptet. Die damit einhergehende Gefährdung der Arbeitsfähigkeit seiner Mitarbeiterinnen bedeutet jedenfalls mittelbar auch eine Gesundheitsgefährdung für seine Patienten. Der Kläger hat sich als ein Mensch erwiesen, der Grenzen anderer nicht achtet, wenn ihm dies ungefährlich erscheint. Das Gericht ist davon überzeugt, dass er in einer Vielzahl von Fällen die Intimsphäre von Frauen und Kindern wissentlich und willentlich mit Äußerungen und Handlungen aus sexuellen Motiven verletzt hat. Dabei hat er die mit dem Arztberuf verbundene besondere Vertrauensstellung im Kernbereich ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungstätigkeit ausgenutzt und ist sexuell übergriffig geworden, wobei vorliegend die Strafbarkeit dieser Handlungen dahinstehen kann. Mitarbeiterinnen sowie weibliche und jugendliche Patienten können dem Kläger unter keinen Umständen anvertraut werden, erst recht nicht für die Tätigkeit eines Chirurgen, dem Patienten auch in Narkosesituationen in besonderem Maße ausgeliefert sind.
Das Gericht stützt sein Urteil auf die Vielzahl der in den Ermittlungsakten und Verwaltungsvorgängen befindlichen Zeugenaussagen, die eindrücklich und glaubhaft das menschenverachtende Verhalten des Klägers belegen………..“