Führungsaufsicht I: Voraussetzungen für eine sog. Abstinenzweisung

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Im Recht der Führungsaufsicht spielt die Frage der Zulässigkeit einer Abstinenzweisung und die an sie zu stellenden Anforderungen eine große Rolle. Zu den Fragen verhält sich noch einmal der OLG Hamm, Beschl v. 23.03.2017 – 5 Ws 119/17:

Grundsätzlich ist eine Abstinenzweisung nach § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB zulässig, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, der Alkohol- bzw. Rauschmittelkonsum könne zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen. Maßgeblich ist nicht das Rückfallrisiko an sich, sondern die Wahrscheinlichkeit eines „Beitrags“ zu strafbaren Handlungen (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 68 b Rdnr. 12 a). Mit einer entsprechenden Abstinenzweisung dürfen jedoch nach § 68 b Abs. 3 StGB keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden.

Nach Ansicht des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2013 in III-5 Ws 358 und 359/12, a. a. O.) kommt die in § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB vorgesehene Weisungsmöglichkeit vor allem für im Vollzug erfolgreich behandelte rauschmittelabhängige Probanden in Betracht. Allein der Umstand, dass es sich bei einem Probanden um einen langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Suchtkranken handelt, macht eine Abstinenzweisung jedoch nicht von vornherein unzulässig. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, insbesondere kommt es für die Zulässigkeit einer solchen Weisung darauf an, ob die begründete Aussicht besteht, der mit der Weisung verfolgte Zweck – die Wahrscheinlichkeit eines Beitrags zu strafbaren Handlungen zu verringern – könne erreicht werden. Ist das nicht der Fall, weil das Gericht auf der Grundlage einer fachkundigen Einschätzung, z. B. durch einen vom Gericht beauftragten Sachverständigen oder durch die Fachabteilung der Justizvollzugsanstalt, einen dann strafbewehrten Weisungsverstoß nach § 145 a StGB aufgrund fortbestehender (körperlicher) Suchtmittelabhängigkeit als überwiegend wahrscheinlich erachtet, sollte von der Abstinenzweisung abgesehen werden. Keine Bedenken bestehen aber gegen eine derartige Weisung, wenn lediglich mangelnde Willensstärke oder auch charakterliche Labilität einen Weisungsverstoß befürchten lassen (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 9. Juli 2010 in 2 Ws 571/10; Fischer, a. a. O., § 68 b Rdnr. 12, 12 a, 12 b; BVerfG NJW 2016, 2170).

Angesichts des Vortrags des Verurteilten in seiner Beschwerdebegründung sowie des Berichtes der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Schwerte vom 21. Dezember 2016 dürfte die Erteilung einer Abstinenzweisung i. S. d. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB vorliegend problematisch sein. So ist zu beachten, dass beim Verurteilten eine langjährige Alkohol- und Betäubungsmittelproblematik besteht. An irgendwelchen suchttherapeutischen Maßnahmen hat der Verurteilte bisher offenbar noch nie teilgenommen. Während seiner Inhaftierung wurde er durchgehend substituiert. Auch nach seiner Haftentlassung soll weiterhin eine Substitution erfolgen. Der Verurteilte selbst gibt an, dass er sich aufgrund der bei ihm bestehenden Sucht für rückfallgefährdet hält.

Für den Fall der Erteilung einer Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ist zudem zu beachten, dass sich für den Verurteilten aus dem Führungsaufsichtsbeschluss selbst unmissverständlich ergeben muss, ob es sich bei der jeweiligen Weisung um eine solche nach § 68 b Abs. 1 StGB handelt, die nach § 145 a S. 1 StGB strafbewehrt ist, oder eine solche nach § 68 b Abs. 2 StGB, die nicht strafbewehrt ist. Für diese unmissverständliche Klarstellung der Strafbewehrung einer Weisung ist eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 68 b Abs. 1 StGB weder erforderlich, noch ist sie in der Regel ohne weitere Erläuterungen ausreichend. Im Beschluss zur Führungsaufsicht ist dem Verurteilten vielmehr klar und deutlich darzulegen, welcher Weisungs-verstoß eine Strafverfolgung nach § 145 a S. 1 StGB nach sich ziehen kann (vgl. BGH StraFo 2015, 471; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2016, 243; Fischer, a. a. O., § 145 a Rdnr. 7).“

 

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