Die diesjährige Karwoche eröffne ich mit zwei BGH-Entscheidungen. Zunächst eine „Verfahrensentscheidung, nämlich den BGH, Beschl. v. 01.03.2017 – 4 StR 405/17 – aus der Reihe der Klassiker – nämlich fehlender Eröffnungsbeschluss (vgl. dazu zuletzt hier den BGH, Beschl. v. 04.08.2016 – 4 StR 230/16 und dazu Klassiker I: Wenn der Eröffnungsbeschluss fehlt, Einstellung).
Im vorliegenden Fall geht es um einen Irrtum der Strafkammer. Die hatte nämlich eine (weitere) Anklage der Staatsanwaltschaft als „Nachtragsanklage“ i.S. des § 266 StPO angesehen und die Eröffnung mit der für Entscheidungen in der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung beschlossen. Geht natürlich nicht, sagt der BGH. Damit fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung und es war insoweit einzustellen:
„Soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Zweibrücken vom 24. März 2015, die dieser Verurteilung zugrunde liegt, an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt. Die in der Hauptverhandlung am 7. Juli 2015 getroffene Entscheidung über die Eröffnung des Hauptver-fahrens ist ebenso unwirksam wie der zugleich ergangene Einziehungsbeschluss der Strafkammer (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 28. Juli 2015, 4 StR 598/14).
Entgegen der Bezeichnung im Eröffnungs- und Verbindungsbeschluss vom 7. Juli 2015 handelt es sich nicht um eine Nachtragsanklage im Sinne des § 266 StPO. Die Staatsanwaltschaft hatte unter dem Aktenzeichen 4169 Js 11623/14 am 24. März 2015 eine – weitere – Anklage gegen den Angeklagten beim Landgericht Zweibrücken eingereicht, die am 8. April 2015 den Verteidigern zugestellt wurde.
Da es sich um eine „normale“ Anklage handelte, war für die Entscheidung über die Zulassung der Anklage die Strafkammer in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung – drei Berufsrichter unter Ausschluss der Schöffen – zuständig. Der in der Hauptverhandlung am 7. Juli 2014 – entsprechend dem Eröffnungs- und Besetzungsbeschluss vom 19. Februar 2015 (Sachakte SA Bd. I, Bl. 125) – in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern und den Schöffen ergangene ‚Kammerbeschluss‘ war daher unwirksam.
Da keine ‚Nachtragsanklage‘ im Sinne des § 266 StPO vorlag, konnte auch kein – den Eröffnungsbeschluss ersetzender – Einbeziehungsbe-schluss ergehen.“
Und dann – man staune 🙂
„Das Fehlen der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II.1 der Urteilsgründe. Hierdurch entfällt die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe. Da hierdurch der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage entzogen ist, hat der Senat diese aufgehoben.“