Die ohne digitale Signatur und vor Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs in Strafsachen per E-Mail mittels eines angehängten und mit seiner eingescannten Unterschrift versehenen PDF-Dokuments eingelegte Berufung eines Angeklagten genügt dem Schrifterfordernis des § 314 Abs. 1 StPO, wenn das PDF-Dokument bei Gericht aufforderungsgemäß und fristwahrend ausgedruckt und zu den Akten genommen wird und an der Urheberschaft des Verfassers und an dessen Willen, das Rechtsmittel einzulegen, kein Zweifel besteht. So der OLG Rostock, Beschl. v. 06.01.2017 – 20 Ws 311/16.
Nach dem Sachverhalt des Beschlusses war der Angeklagte vom AG verurteilt worden. Gegen das Urteil hatte er sich mit einer mit dem Wort „Berufung“ überschriebenen, an das AG gerichteten E-Mail, der diverse Anlagen im PDF-Format beigefügt waren, gewendet. Im Text der E-Mail hatte er um Öffnung der Anhänge gebeten. Dem war das AG nachgekommen und hatte die E-Mail nebst 6 Blatt Anlagen ausgedruckt und mit einem Eingangsstempel versehen. Eine der Anlagen bestand aus einem zweiseitigen Schreiben, in dem der Angeklagte – bezugnehmend auf das Urteil des AG unter Nennung des korrekten Aktenzeichens – ausdrücklich Berufung einlegt und diese näher begründet. Der Schriftsatz enthielt auf der zweiten Seite eine – möglicherweise eingescannte – Unterschrift, die den sonst in den Akten befindlichen Unterschriften des Angeklagten entsprach. Das LG hat die Berufung des Angeklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtete sich dessen sofortige Beschwerde (§ 322 Abs. 2 StPO). Diese hatte Erfolg.
Das OLG ist unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Erfüllung des Schriftlichkeitsgebotes (vgl. GmS-OGB NJW 2000, 2340) von einer den Form- und Fristanforderungen des § 314 Abs. 1 StPO genügenden Berufung ausgegangen. § 41a Abs. 1 StPO erlaube für den Bereich der Strafrechtspflege mittlerweile vom Grundsatz her, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, Anträge oder deren Begründung, die nach dem Gesetz ausdrücklich schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, auch als elektronisches Dokument eingereicht werden können, wenn die näheren Voraussetzungen der Norm (qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz, Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs für den jeweiligen Bereich durch die dafür zuständige Stelle, § 41a Abs. 2 StPO) vorliegen. Nicht abschließend geklärt seit allerdings der Fall, dass Dokumente als (z.B. eingescannte) Anlagen zu elektronischen Nachrichten versandt werden. Dazu verweist das OLG auf den Zivilrechtsbereich. Für den hat BGH entschieden, dass der Ausdruck einer an eine elektronische Nachricht angehängten Bilddatei – nicht jedoch die Bilddatei selbst – ein schriftliches Dokument darstelle, sofern bei der Bilddatei die sonstigen Formerfordernisse eingehalten seien. Maßgeblich für den – ggf. fristwahrenden – Eingang der Erklärung bei Gericht sei dann das Datum des Ausdrucks der Bilddatei (vgl. BGH NJW 2015, 1527). Diese Rechtsprechung wendet das OLG „ohne weiteres“ auf den Bereich des Strafrechts an.
Nicht zu früh „freuen“. Denn: Das OLG hat nicht etwa allgemein die Einlegung der Berufung – oder anderer Rechtsmittel – durch Email (in Mecklenburg-Vorpommern) als zulässig angesehen. Denn der elektronische Rechtsverkehr in Strafsachen ist im Land Mecklenburg-Vorpommern – erlaubtermaßen – bislang überhaupt nicht eröffnet (§ 41a Abs. 2 StPO, § 1 ERVVO M-V i.V.m. Anlage zu § 1). Das bedeutet, dass unabhängig vom Vorliegen einer qualifizierten Signatur für die Gerichte keine Verpflichtung besteht, elektronische Post in Strafsachen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und Öffnungen von Anhängen zu E-Mails vorzunehmen. Damit naturgemäß verbundene Risiken im Hinblick auf Form- und Fristwahrung gehen also nach wie vor zulasten des Absenders, der die für ihn risikobehaftete Art der Schriftsatzübermittlung selbst gewählt hat. Fazit: Man sollte weiterhin lieber die Finger von der Rechtsmitteleinlegung durch Email lassen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern sondern auch in anderen Bundesländern (zur Diskussion u.a. Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., 2016, Rn 592 ff. m.w.N.).
Und: Die Anhänge müssen natürlich die Voraussetzungen für eine formgerechte Berufung erfüllen. Das war hier der Fall.
Die eigentliche „Sensation“ ist m.E. der Schlusssatz des OLG: „Auch das Fehlen der Unterschrift würde nach Auffassung des Senats das Schriftformerfordernis der Eingabe nicht tangieren.“ Das ist doch mal eine Aussage!!!
Nöö, das ist Rechtsprechung zur „Schriftform“ 🙂
Ist bis zu unserem AG-insbesondere den Bußgeldrichtern- leider noch nicht durchgedrungen…
Diaspora 🙂
😂😂