Auch die zweite der heute vorgestellten RVG-Entscheidungen (zur ersten hier: RVG I: Pauschgebühr von 349.150 EUR, oder: Übergangsgeld von 5.000 EUR) ist, wenn nicht außergewöhnlich, so dann aber doch auch bemerkenswert. Es geht um die Höhe der dem Betroffenen im Bußgeldverfahren – die Entscheidung gilt aber auch für das Strafverfahren – zu erstattenden Wahlanwaltsgebühren. Der Kollege Greogor, der mir den AG Köthen, Beschl. v. 22.11.2016 – 13 OWi 31/16 geschickt hat – war als Verteidiger des Betroffenen im Bußgeldverfahren tätig. Der Betroffene ist frei gesprochen worden, die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Landeskasse auferlegt worden. In seinem Kostenerstattungsantrag hatte der Kollege für die zu erstattenden Terminsgebühren Nr. 5110 VV RVG jeweils die Mittelgebühr in Höhe von 255 € geltend gemacht. Die Vertreterin der Staatskasse hat die Terminsgebühren nur – wen überrascht das? – in Höhe von 180,00 € bzw. 150 € als erstattungsfähig angesehen. Das AG hat die Terminsgebühren dann jeweils in Höhe von 204,00 € festgesetzt. Und das mit einer interessanten Begründung:
„Die Angelegenheit wird hier als leicht unterdurchschnittlich angesehen. Insoweit stimmt das Amtsgericht mit der Revisorin überein. Die Mittelgebühr von jeweils 255,00 € ist deshalb nicht gerechtfertigt. Aber auch die Argumentation der Revisorin, welche die Gebühren mit lediglich 180,00 € bzw. 150,00 € angesetzt sehen will, mag nicht überzeugen.
Vielmehr waren die Terminsgebühren jeweils in Höhe der einem in gleicher Sache tätigen Pflichtverteidiger entstehenden Gebühr festzusetzen. Es ist insoweit nicht ersichtlich, warum einem Verteidiger bei einem Freispruch weniger Gebühren zustehen sollen, als einem Pflichtverteidiger (so er denn eine vergleichbare Angelegenheit wahrgenommen hätte).“
Bemerkenswert oder auch: In der knappen Begründung steckt m.E. Brisanz. Verteidiger werden sicherlich jubeln bzw. der Entscheidung und der Rechtsauffassung des AG Köthen zustimmen. Nur: Ich glaube nicht, dass sich die Auffassung des AG, dass die Höhe der Pflichtverteidigergebühren im Fall der Kostenerstattung aus der Staatskasse die untere Grenze für die dem Wahlanwalt zu erstattenden Gebühren bildet, durchsetzen wird. Denn nach allgemeiner Meinung – wohl sog. h.M. – haben die für den Pflichtverteidiger im RVG vorgesehenen gesetzlichen Gebühren auf die Bemessung der Gebühren des Wahlanwalts keine Auswirkungen. Denn dabei handelt es sich um Festbetragsgebühren bzw. Pauschalgebühren, bei deren Festsetzung die besonderen Umstände des jeweiligen Falles anders als bei den Wahlanwaltsgebühren keine Rolle spielen. Die Gebühren des Wahlanwalts können daher auch niedriger als die des Pflichtverteidigers festzusetzen/zu bemessen sein. Dazu gibt es LG Rechtsprechung, die bei Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Rahmengebühren (§ 14 RVG), Rdn 1558, zitiert ist. Dennoch: Auf die Entscheidung des AG Köthen berufen sollte man sich als Verteidiger. Denn steter Tropfen höhlt den Stein. Vielleicht/hoffentlich.
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