Bevor es dann nachher noch das RVG-Rätsel gibt und dann alle ins Wochenende entschwinden, schnell noch eine verkehrsrechtliche Entscheidung, die mal wieder beweist: In der Verteidigung im Verkehrsstrafrecht kommt es ganz maßgeblich auch auf die sog. verkehrsstrafrechtlichen Grundbegriffe an. Bei denen sollte man als Verteidiger mal immer inne halten und prüfen, ob sie nicht einen Verteidigungsansatz bieten. Das hat offenbar der Verteidiger in einem Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Ungallort (§ 142 StGB) getan und damit dann beim LG Arnsberg Erfolg gehabt. Denn das hat im LG Arnsberg, Beschl. v. 25.10.2016 – 2 Qs 71/16 – den amtsgerichtlichen § 111a-Beschluss aufgehoben. Begründung: „Tatort“ kein öffentlicher Verkehrsraum:
I.
Die Staatsanwaltschaft B legt dem Beschuldigten unerlaubtes Entfernen vom Unfallort zur Last. Er soll am Morgen des 12.08.2016 ein Rolltor der Fa. T in U beschädigt haben, an dem ein Sachschaden von ungefähr 2.800 Euro entstanden sein soll. Bei der Unfallörtlichkeit handelt es sich um den hinteren Teil des Betriebsgeländes der Fa. T, auf dem sich drei Anlieferungstore befinden. Der Zugang zu diesem Teil des Betriebsgeländes ist mit Ein- und Ausfahrtsschranken versehen. Der unmittelbare Bereich vor den Rolltoren ist abgesenkt, mit Betonoberfläche versehen und mit Fahrstreifen für die anliefernden Lastkraftwagen gekennzeichnet…………..
II……………..
Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort setzt voraus, dass die Tat im öffentlichen Straßenverkehr begangen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008, 2 Ss 33/08, NZV 2008, 257; OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2000, Ss 227/00). Umfasst werden zwar demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Duldung der Benutzung durch einen darüber hinausgehenden Personenkreis vorliegt, ist nicht auf den inneren Willen des Verfügungsberechtigten, sondern auf die für etwaige Benutzer erkennbaren äußeren Gegebenheiten abzustellen (BGH, Urteil vom 04.03. 2004, 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128-130).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der hintere Teil des Betriebsgeländes der Fa. T, der allein der An- und Ablieferung von Waren dient, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht als öffentlicher Verkehrsgrund anzusehen:
Der Teil des Betriebsgeländes ist nur bei Durchfahren einer Schranke zugänglich. Auf die Skizze Bl. 6 d.A. und die Videographien Bl. 9 – 11 und 19/20 d.A., welche die räumliche Situation vor den Rolltoren und die Ein- und Ausfahrtsschranken verdeutlichen, wird Bezug genommen. Demnach ist der Zugang zur Betriebsfläche von dem Öffnen der Eingangsschranke abhängig. Gerade diese Zugangsbegrenzung zeigt, dass das Betriebsgelände nicht für jedermann zugänglich ist. Auch aufgrund der weiteren Örtlichkeit ist ersichtlich, dass der hintere Teil des Betriebsgeländes allein dem Warenverkehr dient und somit nur einem beschränkten Zuliefererkreis zugänglich gemacht wird. Eine für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassene und auch so benutzte Fläche kann die Kammer vor diesem Hintergrund nicht feststellen.“
Klein, aber fein 🙂 . Aber auch: Noch mal gut gegangen……
Die Beschwerdeentscheidung des LG Arnsberg darf m.E. allerdings nicht verallgemeinert werden. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß aufgrund der „bisher erhobenen“ Beweismittel nicht feststeht, daß sich der Unfall im öff. StrVerkehr ereignet hat.
Diese Frage stellt sich nicht nur im Bereich des unerlaubten Entfernens, sondern auch bei Trunkenheits- oder Fahrten unter Drogeneinfluß. Der Verkehrsraum ist nicht nur dann öffentlich, wenn seine Nutzung für jedermann ausdrücklich/stillschweigender vom Verfügungsberechtigten geduldet oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm – 2 Ss 33/08, OLG Köln – Ss 227/00). „Ob eine auf einem Betriebsgelände gelegene Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen ist, kommt den äußeren Gegebenheiten, die einen Rückschluß auf das Vorhandensein und den Umfang der Gestattung bzw. Duldung des allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten zulassen, maßgebliche Bedeutung zu.“ BGH 4 StR 377/03
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das LG Arnsberg „den hinteren Teil des Betriebsgeländes der Fa. T, der allein der An- und Ablieferung von Waren dient, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht als öffentlicher Verkehrsgrund“ angesehen.
Insbesondere sei „Der Teil des Betriebsgeländes ist nur bei Durchfahren einer Schranke zugänglich. Demnach ist der Zugang zur Betriebsfläche von dem Öffnen der Eingangsschranke abhängig … und auch so benutzte Fläche kann die Kammer vor diesem Hintergrund nicht feststellen.“
Für die Abgrenzung der Frage, ob eine private Fläche als öffentlicher oder nicht öffentlicher Verkehrsraum anzusehen ist, kommt es allerdings nicht nur auf die von dem Verfügungsberechtigten getroffene Zweckbestimmung an, sondern auch darauf, ob eine solche auch tatsächlich beachtet wird, mithin gegebenenfalls die Allgemeinheit tatsächlich von der Benutzung eines Parkplatzes ausgeschlossen wird. Ist dies der Fall, ist die gelegentliche Nutzung der entsprechenden Flächen selbst durch Unbefugte unschädlich. Kammergericht Berlin 2 Ss 330/08 – 3 Ws (B) 419/08 unter Verweis auf OLG Rostock 1 Ss 131/03 I 79/03 und OLG Köln VRS 99, 363).
Um eine Nichtöffentlichkeit anzunehmen, muss der Verfügungsberechtigte tatsächlich verhindern, dass ein Grundstück von Unbefugten zu Verkehrszwecken benutzt und sein Beschränkungswille durch eine entgegengesetzte länger dauernde Übung missachtet wird KG Berlin, a.a.O.
Die Frage, ob ein Benutzerkreis in dem hier erörtern Sinn ausgeschlossen ist, kann also abschließend nur aufgrund entsprechender ausreichender Feststellungen entschieden werden. Maßgebend sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Hierzu sind ausreichende Feststellungen zu treffen und darzulegen (vgl. OLG Rostock a.a.O.).
Vorliegend wurden insbesondere noch keine Feststellungen getroffen, ob und wann die Schranken jeweils geschlossen werden.
Es wäre interessant zu erfahren, ob die Sache weiterging/weitergeht.
Aber die erste Schlacht ist mal geschlagen….
Das stimmt.