Bei manchen Sachverhalten, die zur Anklage gebracht werden, bin ich mir nicht so ganz sicher, ob das von der Staatsanwaltschaft ernst gemeint oder nicht. Nun, wahrscheinlich schon, denn sonst hätte man ja nicht angeklagt. Also stellt man die Frage besser anders und fragt, ob das sein musste. So gilt es für mich für den dem OLG Hamm, Beschl. v. 26.09.2016 – 1 RVs 67/16 – zugrunde liegenden Sachverhalt. Angeklagt worden ist eine gefährliche Köerperverletzung (§ 224 StGB) in Tateinheit mit Beleidigung (§ 185 StGB). Die gefährliche Körperverletzung liegt offenbar – so kann man es m.E. dem OLG Hamm-Beschluss entnehmen – in mehrfachen Tritten mit dem beschuhten Fuß. Die Beleidigung soll darin liegen, dass der Angeklagte den im Juli 1957 geboreren Geschädigten als „Opa“ oder „alten Mann“ betitelt haben soll – mehr nicht. Der Angeklagte wird dann auch wegen Beleidigung verurteilt. Die Verurteilung hat aber beim OLG Hamm keinen Bestand:
„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung kann nicht bestehen bleiben, da sie von den Feststellungen nicht getragen wird. Beleidigung gemäß § 185 StGB ist der Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung (vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage, § 185 Rn. 2 m. w. N.). Der Äußerungsinhalt ist unter Berücksichtigung aller Begleitumstände zu ermitteln. Maßgebend ist, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht. Eine gegenüber der betroffenen Person erhobene Tatsachenbehauptung oder eine ihr gegenüber verwendete Bezeichnung, die zutreffend oder nach allgemeinem Verständnis wertneutral ist, kann in der Regel nicht als Beleidigung angesehen werden, es sei denn, der Bezeichnung kommt eine über die bloße Kennzeichnung hinaus gehende abwertende Konnotation zu (vgl. Fischer, a. a. O., Rn. 8, 8b m. w. N.; Lencker/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage, § 185 Rn. 2, 13 m. w. N. [dort auch zu weiteren Einzelfällen, etwa Bezeichnung als „Homosexueller“ idR keine Beleidigung, anders bei Bezeichnung als „warmer Bruder“]). Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils betitelte der Angeklagte den im Juli 1957 geborenen Zeugen M als „Opa“ oder „alten Mann“. Zugunsten des Angeklagten ist wegen der insoweit getroffenen Wahlfeststellung davon auszugehen, dass er den Zeugen ausschließlich als „alten Mann“ bezeichnet hat. Darin liegt – auch mit Blick auf dessen tatsächliches Lebensalter – für sich betrachtet noch keine Herabwürdigung, mit der dem Zeugen sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Weitere Feststellungen, die einen abwertenden Charakter der Äußerung begründen könnten, hat das Landgericht nicht getroffen. Soweit im Urteil hierzu ausgeführt wird, der Angeklagte habe den Zeugen „abfällig“ „beleidigt“, handelt es sich um Wertungen. Tatsachen, welche die angenommene „Abfälligkeit“ belegen könnten, sind nicht genannt.“
M.E. grundsätzlich richtig. Ich frage mich allerdings, wobei ich einräume, die genauen Umstände des Falles ja nicht zu kennen: Woher weiß das OLG so sicher, dass „im Fall einer Zurückverweisung der Sache konkretere Feststellungen zu einer etwaigen Beleidigung nicht zu erwarten wären„? Aber das kennt man ja vom BGH. Der ist sich ja auch immer sicher, dass eine neue Hauptverhandlung nichts bringt. Nun, hier ist es zu gunsten des Angeklagten…….
Ach so: Für mich ist die Bezeichnung als „Opa“ übrigens keine Beleidigung, sondern eine Auszeichnung 🙂 .