Wahrscheinlich hat fast jeder Verteidiger schon mal das, was dem BGH, Beschl. v. 24.08.2016 – 1 StR 301/16 – als Sachverhalt zugrunde gelegen hat so oder ähnlich erlebt. Das Verfahren ist inzwischen zum zweiten Mal beim BGH, nachdem eine Strafkammer des LG München II die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Das Urteil wird am 04.02.2016 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet, dem Angeklagten wird eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden.
Am 08.02.2016 geht ein von dem Angeklagten und seinem Verteidiger, Rechtsanwalt M. , unterzeichnetes Schreiben ein. Darin teilt der Angeklagte mit, er habe sich entschlossen, gegen das „gestrige Urteil“, mit dem gegen ihn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, nichts zu unternehmen. Wörtlich heißt es weiter: „Ich erkläre hiermit also Rechtsmittelverzicht“, wobei das Wort „Rechtsmittelverzicht“ durch Großbuchstaben, Sperrschrift und Unterstreichung optisch hervorgehoben wird. Es folgt die Unterschrift des Angeklagten. Im nachfolgenden Absatz erklärt der Verteidiger, sich „nach Sachbesprechung mit Herrn B. “ dem Rechtsmittelverzicht anzuschließen.
Mit einem auf den 09.02.2016 datierten und am 11.02.2016 eingegangenen Schreiben legte der Angeklagte dann Revision ein. Er macht geltend, durch seinen Verteidiger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu dem Rechtsmittelverzicht genötigt worden zu sein; den Rechtsmittelverzicht ziehe er zurück. Sein Verteidiger habe ihm erklärt, den Rechtsmittelverzicht deshalb unterschreiben zu müssen, weil im selben Verfahren keine zweite Revision möglich sei. Später hat ein vom Angeklagten neu mandatierter Verteidiger, Rechtsanwalt H. , die Revision begründet und diese auf die Sachrüge gestützt.
Der BGH verwirft und sieht den Rechtsmittelverzicht als wirksam an. Das begründet er u.a. damit:
„(2) Ein durch den Verteidiger hervorgerufener Irrtum würde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zur Unwirksamkeit führen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 – 4 StR 135/03 bei Becker NStZ-RR 2004, 228). Im Übrigen ist die von dem Angeklagten vorgetragene Täuschung durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt M. , nicht bewiesen. Dies wäre aber für den Nachweis der Unwirksamkeit des Rechtsmittels erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2002 – 5 StR 12/02 Rn. 4 mwN; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 3 Ws 141/10, NStZ-RR 2010, 213, 214; Radtke in Radtke/ Hohmann aaO § 302 Rn. 25 mwN). Rechtsanwalt M. hat mit Schreiben vom 15. Februar 2016 nachvollziehbar dargelegt, wie es zu der Rechtsmittelverzichtserklärung gekommen ist und dass dieser keine Täuschung über die Möglichkeit, Revision einzulegen, vorausgegangen ist. Das vom Angeklagten und von Rechtsanwalt H. vorgetragene Geschehen, Rechtsanwalt M. habe gegenüber dem Angeklagten behauptet, gegen ein zweites Urteil in einer Sache sei keine Revision mehr möglich, ist zudem – wie der Generalbundeswalt zutreffend hervorgehoben hat – angesichts des Wortlauts der Rechts-mittelverzichtserklärung nicht nachvollziehbar. Das gilt erst recht angesichts der dem Angeklagten wenige Tage zuvor erteilten Belehrung über die Möglichkeit, das Rechtsmittel der Revision einzulegen. Entgegen dem Vorbringen von Rechtsanwalt H. gibt es aus den bereits zur Prozesshandlungsfähigkeit dargelegten Gründen keine Anhaltspunkte in der Person des Angeklagten dafür, dass dieser die vorhandene Rechtsmittelmöglichkeit und die Bedeutung des Verzichts nicht erfasst haben könnte.“
Das war es dann……..