Ich habe länger überlegt, ob ich den LG Tübingen, Beschl. v. 04.10.2016 – 9 Qs 142/16 – hier bringen soll oder lieber nicht. Denn er ist „unschön“. Aber: Man muss ja auch die „Feindliteratur“ kennen und sich darauf einstellen.
Es geht mal wieder um die Frage der nachträglichen Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Die lehnt das LG in Bausch und Bogen ab. Dabei setzt es sich mit der Rechtsprechung anderer LG, die das zumindest dann anders sehen, wenn der vom Rechtsanwalt gestellte Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist, nur schwach auseinander:
„Zum Zeitpunkt der Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers war das Verfahren bereits endgültig eingestellt. Eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist ausgeschlossen. Dies gilt selbst dann, wenn der Beschuldigte – wie vorliegend — die Bestellung eines Pflichtverteidigers vor dem Verfahrensabschluss beantragt hatte und der entsprechende Antrag nicht oder nicht rechtzeitig beschieden worden war, obwohl die Voraussetzungen einer Beiordnung vorgelegen hatten. Auch in einem solchen Fall wäre die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers auf eine unmögliche Leistung gerichtet, da der Verteidiger seine Leistung zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung bereits als Wahlverteidiger aufgrund des Mandatsverhältnisses abschließend erbracht hatte und die mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger einsetzende öffentlich-rechtliche Pflicht zum Tätigwerden nicht mehr erfüllen konnte (vgl. zum Ganzen KG Berlin, Beschluss vom 09.03.2006, 1 AR 1407/15 — 5 Ws 563/05, juris, Rn. 13 ff.).
Der Zulassung einer rückwirkenden Beiordnung bedarf es im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschriften über die Pflichtverteidigung nicht. Zweck der Regelungen über die notwendige Beiordnung ist es, eine ordnungsgemäße Verteidigung des unverteidigten Betroffenen zu gewährleisten. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Betroffene durch einen Wahlverteidiger ordnungsgemäß verteidigt war, würde diesem Zweck durch eine nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung nicht gedient (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 16). Den Zweck, den Vergütungsanspruch des Verteidigers zu sichern, hat die Pflichtverteidigerbestellung nicht. Hätte der Verteidiger sicherstellen wollen, dass er nur als Pflichtverteidiger auftritt, hätte er dies bedingungslos tun oder ausschließlich einen Antrag auf Beiordnung stellen müssen, ohne sich zuvor als Wahlverteidiger zu legitimieren.“
Was macht man als Verteidiger: Nicht als Wahlanwalt auftreten und wegen der Bescheidung des Antrags auf Beiordnung das AG „nerven“. Ggf. mit einer „Untätigkeitsbeschwerde“, ich weiß, ich weiß ….. Jedenfalls ist die Rechtsprechung des LG die Einladung für AG, den Beiordnungsantrag zu „übersehen“.
Ich plädiere gegen das Veröffentlichen. Vergütungskampf ist Krieg, nur mit anderen Mitteln. Wir oder die. Wenn so ein Sch… publiziert wird, wird im Nu eine h.M. daraus, da wirkt man ja quasi daran mit, dass der Feind seine Truppen verstärkt. Nein, da hilft nur Totschweigen. Ist ja immer noch besser als Totschießen.
Das sehe ich anders. Man muss auch die nicht so günstigen Entscheidungen kennen, nur so kann man sich darauf einstellen. Im Übrigen: Alles andere ist auch nicht „wissenschaftlich sauber“. 🙂