Manche lernen es nie V: Die fehlende Einlassung in den Urteilsgründen

© Alex White - Fotolia.com

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Der Kollege Rinklin aus Freiburg, der mir den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.09.2016 – 2 (7) SsBs 507/16-AK 173/16 – hatte in der Begleitmail schon geschrieben, dass er die Überschrift: „Manche lernen es nie….“ im Blog bei dem Beschluss schon vor Augen habe. Und Recht hatte er. Denn der Beschluss ist für diese Serie geradezu prädestiniert. Denn dass OLG muss mal wieder zu der Frage Stellung: Es fehlt die Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen. Und dieser häufige Fehler führt eben zur Aufhebung:

„Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts – vorläufig – Erfolg, da sich die Urteilsgründe als lückenhaft erweisen. Das angefochtene Urteil enthält keine dem Mindestanforderungen der §§ 261,267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG genügende Beweiswürdigung.

Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Dennoch kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerde hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen, wie für den Rechtsfolgenausspruch (KK-Senge OWiG 4. Aufl. § 71 RN 106; Göhler OWiG 16 Aufl. § 71 RN 42 43 jeweils m.w.N.). Im Einzelnen bedeutet dies, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der ordnungswidrigen Handlung gefunden werden, und zwar unter Darlegung des genauen Tatorts und der Tatzeit. Vielmehr müssen hinsichtlich der Beweiswürdigung die Urteilsgründe regelmäßig auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat, ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung für widerlegt ansieht. Räumt der Betroffene die Tat nicht in vollem Umfang glaubhaft ein, müssen die Urteils-gründe die tragenden Beweismittel wiedergeben und sich mit ihnen auseinandersetzen. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK-Senge a.a.O. Rn. 107; Göhler a.a.O. Rn. 43,43 a; OLG Bamberg, Beschluss vom 02. April 2015 – 2 Ss OWi 251/15 -, juris)

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Aus den Urteilsgründen lasst sich entnehmen, dass die Feststellungen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit dieser gefolgt werden konnte, den Angaben des Sachverständigen und den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern und verlesenen Urkunden beruht. Gefolgt ist das Gericht der Einlassung des Betroffenen, soweit er seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat. Völlig offen bleibt, wie sich der Betroffene im Übrigen eingelassen hat, warum das Gericht diese Einlassung für widerlegt angesehen hat und ihr nicht gefolgt ist Es besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass sich der Betroffene bezüglich der Abstandsmessung oder der näheren Umstände der ihm vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit, in eine bestimmte Richtung substantiiert verteidigt hat und nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht die Bedeutung der Betroffeneneinlassung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat (OLG Bamberg, Beschluss vom 09. Juli 2009 – 3 Ss OWi 290/09 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 21. November 2002 – 5 Ss 1016/02 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Oktober 2006 – 1 Ss 55/06 -, juris).“

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Erwägungen an. Hinsichtlich der Wirksamkeit der Zustellung des Urteils an den Verteidiger ist er ebenfalls der zitierten Ansicht (Senatsbeschluss vom 08.10.2015 – 2 (7) SsBs 467/15 -, juris). Ebenso hält der Senat bei der vorliegenden Sachlage, bei der das Gericht einer Einlassung teilweise folgt und sie offensichtlich teilweise für widerlegt hält (vgl. …“soweit dieser gefolgt werden konnte,…“), deren Mitteilung für erforderlich (Senatsbeschluss vom 29.04.2016 – 2 (10) SsRs 195/16).“

Lassen wir mal die Zustellungsproblematik außen vor – nicht schon wieder 🙂 : Es handelt sich um einen häufigen Fehler (vgl. nur OLG Bamberg VRR 2010, 34 = VA 2009, 212; NZV 2010, 369 = zfs 2011, 594 = VA 2015, 120; OLG Braunschweig VA 2013, 174; OLG Celle VRR 2010, 432 = VA 2010, 192; OLG Hamm StraFo 2003, 133; zfs 2000, 577; 2008, 348; OLG Koblenz zfs 2007, 589; VRR 2010, 363 [Ls.] = VA 2010, 197 [Ls.]; OLG Köln DAR 2011, 150 = VA 2011, 51 für Trunkenheitsfahrt; OLG Schleswig zfs 2014, 413 = VRR 2014, 270 = VA 2014, 100 für Rotlichtverstoß). Die Anforderungen gelten übrigens nicht nur für das Urteil im Bußgeldverfahrens, sondern auch für das strafrichterliche Urteil (u.a. BGH NStZ 2015, 299; StV 1984, 64 [Ls.]; StraFo 2015, 121; NStZ-RR 1997, 172; 2002, 243). Aber: Manche lernen es nie………..

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