Fachanwälte sind nach § 15 FAO zur jährlichen Fortbildung verpflichtet. Diese sog. Pflichtfortbildungen sind nicht unbedingt beliebt, zumal sich auch nicht immer eine passende Veranstaltung findet. Der BGH hat jetzt die Frage beantwortet, ob die Fortbildungspflicht auch erfüllt wird, wenn an einem Seminar teilgenommen wird, das nicht speziell das Fachgebiet des Rechtsanwalts betriftt (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2016 – AnwZ (BrfG) 46/13).
Auszugehen war/ist von folgendem Sachverhalt: Der Kläger ist seit 2011 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Am 22. 6. 2012 besuchte er ein sechsstündiges Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“, das sich neben Straf-, Familien, Versicherungs- und Baurecht schwerpunktmäßig auch mit dem Verkehrsrecht beschäftigte. Danach reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der später beklagten RAK München ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“. Im sich darüber entwickelnden Streit hat der Kläger Klage gegen die RAK erhoben. Mit seinem Klagehauptantrag wollte er erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“ aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Der BGH hat den Hauptantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit seinem Hilfsantrag hatte der Kläger hingegen Erfolg.
Der recht umfangreichen BGH-Entscheidung wird man folgenden Leitasatz voran stellen können:
„Fachanwälte können ihre jährliche, sich aus § 15 FAO ergebende Fortbildungspflicht auch durch die Teilnahme an einem Seminar erfüllen, das nicht speziell ihr Fachgebiet betrifft. Erforderlich ist jedoch, dass in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.“
Und die Entscheidung führt zu folgenden Grundsätzen:
- Die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO muss einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen.
- Die Pflichtfortbildung muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es geht nicht darum, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können.
- Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts.
- Die (Fachanwalts)Fortbildungen darf mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandelt, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist. Es darf sich aber nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum jeweiligen Fachgebiet handeln.
Dazu folgende Anmerkungen:
- Die BGH-Entscheidung betrifft zwar einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Die grundsätzliche Aussage der Entscheidung ist aber sicherlich auch auf andere Fachgebiete übertragbar: Es kann also zu Fortbildungszwecken grundsaätzlich auch an fachfremden bzw. nicht rein fachspezifischen Seminaren als Pflichtfortbildung teilgenommen werden, wenn in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch bzw. zumindest auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.
- Die Entscheidung bezieht sich auf § 15 Abs. 1 FAO in der Fassung vom 1. 9. 2009. Die sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen habe. Inzwischen ist § 15 Abs. 1 FAO geändert worden. In der seit dem 1. 1. 2015 geltenden Fassung heißt es jetzt, dass der Fachanwalt an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss. Nach der BGH-Entscheidung ist offen, ob die aufgestellten Grundsätze auf diese aktuelle Fassung des § 15 FAO übertragbar sind. M.E. müsste das aber der Fall sein. Denn wird Fachwissen behandelt, das (nur) auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist, ist das immer auch fachspezifisch.