Der Kollege Riemer aus Köln hat – in meinen Augen – immer wieder ganz pfiffige Werbeideen für sich und seine Kanzlei. Ich habe hier ja auch schon über eine berichtet, nämlich über „Die mit Werbung bestickte Anwaltsrobe – darf ich?“, die dann allerdings dem Verdikt des AGH NRW zum Opfer gefallen ist (AGH NRW, Urt. v. 29.05.2015 – 1 AGH 16/15). Nun hatte der Kollege sich etwas Neues einfallen lassen. Er hatte im Kölner Stadtanzeiger ingesamt vier (Werbe)Anzeigen für seine Kanzlei geschaltet, und zwar folgende Anzeigen:
In der ersten Anzeige sind auf einem Foto zwei Personen ganz oder teilweise zu erkennen, und zwar in Form des rechten Beins einer mit High-Heels und kurzem Rock bekleideten Frau, die auf einem Schreibtisch steht. An dem Schreibtisch sitzt ein Mann. Seine Krawatte liegt auf dem Tisch, die Frau steht mit ihren High Heels auf dem Ende der Krawatte. Zwischen den beiden Personen zwei Sprechblasen, mit folgendem Text: „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ sowie „Kündigungsschutz?“.
Die zweite Anzeige enthält ebenfalls eine Foto, und zwar das einer nackten Person, die verhüllt mit einer weißen Decke auf einem Bett liegt. Auf dem Foto kann man aber nur die nackten Füße der Person erkennen. An ihrem großen Zeh hängt ein Namensanhänger mit der Aufschrift: „War nicht rechtzeitig beim Anwalt!“.
Die dritte Anzeige enthält das Bild eines Flüchtlingskindes, das neben Bahnschienen läuft. Darunter steht der Text: „Wenn Sie mir bei Mandatsaufnahme diesen Coupon vorlegen, spendet meine Kanzlei 10% des von Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinnahmten Nettohonorars an eine Hilfsorganisation für jugendliche Flüchtlinge Ihrer Wahl.“
Und die vierte Anzeige enthält das Bild einer jungen Frau, die lächelt. Neben ihrem Gesicht eine Sprechblase mit dem folgenden Text: „Wie praktisch: Bei diesem Anwalt kann ich mich zunächst kostenlos beraten und meine Ansprüche prüfen lassen.“
Diese Anzeigen haben dann (wieder) den AG NRW beschäftigt. Der Kollege Riemer hat ein sog. Selbstreinigungsverfahren in Gang gesetzt, das dann mit dem AGH, Beschl. v. 03.06.2016 – 2 AGH 1/16 – geendet hat.
Fangen wir mit dem für den Kollegen positiven Teil an: Die 4. Anzeige, also die mit der Erstberatung, hat der AGH als unbedenklich angesehen. Begründung u.a.: Nach der Rechtsprechung des Anwaltsgerichtshofs (vgl. Urt. v. 09.05.2015 – 1 AGH 3/14) sei es zulässig, für die anwaltliche Erstberatung eine Gebührenvereinbarung zu treffen, wonach dafür nichts zu zahlen ist. Daraus folge auch, dass die Werbung mit einer solchen Gebührenpraxis ebenfalls zulässig ist. Und: Es bestehs nicht ernsthaft ein Risiko für die Qualität der Rechtsdienstleistung durch den Kollegen aus dem Grunde, dass die Werbung zu einem solchen Andrang in seiner Praxis führt, die es ihm nicht mehr erlauben würde, die anwaltlichen Beratungsleistungen in der geschuldeten Qualität selbst zu erbringen. Dafür sprächen nicht nur die eigenen Angaben des Antragstellers über den mehr als überschaubaren Erfolg dieser Anzeigen, auch objektiv sei bei derart dilettantischer Werbung nicht mit einer solchen Folge zu rechnen.
Anders sieht es der AGH indes bei den drei anderen Anzeigen des Kollegen. Diese seien nicht mit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot von Anwaltswerbung nach § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA vereinbar:
„5. Die Bewertung als unsachliche und damit nach § 43b BRAO verbotene Werbung wird für die Anzeige Nr. 1 („Diskriminierung am Arbeitsplatz?“) nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Schlagworte Diskriminierung am Arbeitsplatz und Kündigungsschutz für sich genommen Stichworte für rechtliche Konflikte sind, bei denen in aller Regel rechtlicher Beratungsbedarf entsteht und die deshalb in einer anwaltlichen Werbung nicht zu beanstanden sind. Allerdings ist – ersichtlich beabsichtigt – „Blickfang“ für den Betrachter die Darstellung einer Frau, die einem jungen Mann auf dem Schreibtisch auf die Krawatte tritt und ihm dadurch seine Bewegungsfreiheit nimmt. Diese ohnehin schon unrealistische Szene wird dadurch besonders hervorgehoben, dass von der Frau nur die nackten Unterschenkel und der extrem vorgewölbte Fuß, der mit hochhackigen Pumps bekleidet ist, zu sehen sind. Eine sachliche Illustration einer typischen Szene im Zusammenhang mit Kündigungsschutz oder Diskriminierung am Arbeitsplatz ist in dem Foto nicht zu sehen. Sie suggeriert im Gegenteil, es seien in erster Linie Männer, die von Diskriminierung am Arbeitsplatz, Kündigung und körperlicher Gewalt bedroht seien. Es kann für die Entscheidung der Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens dahinstehen, ob die Darstellung als ironischer Hinweis oder Erinnerung daran, dass im Einzelfall auch alles sich anders darstellen kann, gerechtfertigt sein könnte. Der hinreichende Verdacht der unsachlichen Werbung liegt vor, weil die Darstellung reißerisch und ohne jeden Informationsgehalt ist, ohne dass dafür auch nur der geringste Anlass gegeben wäre. Solche Werbung ist geeignet, bei der rechtsuchenden Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen, und damit das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt zu beeinträchtigen. Auch insoweit begründet die Anzeige den hinreichenden Verdacht der schuldhaften Pflichtwidrigkeit (zu Vorwurf 8).
6. Auch die Werbung mit dem an den nackten Füßen eines Toten baumelnden Etikett in der Anzeige Nr. 2 ist unsachlich, weil sie keinerlei Informationsgehalt hat und lediglich als reißerisch bewertet werden kann. Unerheblich ist es, dass der Antragsteller nach seinen Angaben nicht einen Toten, sondern einen Patienten, der zur Operation vorbereitet wird, darstellen wollte. Wenn das tatsächlich sein Ziel war, so hat er es verfehlt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der unbefangene Leser der Anzeige an einen Toten denkt, wenn er das Bild sieht. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Text auf dem Anhänger, der ja „war nicht rechtzeitig beim Anwalt“ lautet. Wer stellt sich bei diesem Gesamteindruck vor, dass das Bild zum Ausdruck bringen soll, dass der rechtzeitige Besuch beim Anwalt Nachteile, die durch eine Operation versinnbildlicht werden sollen, vermeiden könnte? Ein angemessener Zusammenhang zwischen der Abbildung in der Anzeige und der Werbung um Mandate und Mandanten ist jedenfalls nicht erkennbar. Es fehlt jeder Informationsgehalt und damit auch jede durchaus auch mit den Mitteln der Ironie oder der satirischen Formulierung mögliche Betonung, Erläuterung oder Zuspitzung des Leistungsangebotes des Antragstellers. Ein Fall der allein zulässigen in Form und Inhalt sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit liegt nicht vor. Durch die Veröffentlichung der Anzeige ergibt sich also der hinreichende Verdacht einer schuldhaften Pflichtwidrigkeit (zu Vorwurf 8).43
7. Das gilt in noch stärkerem Maße für die Anzeige Nr. 3 („Deutschland benötigt Zuwanderung“). Das in der Anzeige abgebildete Flüchtlingskind hat mit den vom Antragsteller angebotenen Rechtsdienstleistungen nicht das geringste zu tun. Dieser arbeitet nicht etwa im Ausländer- oder Asylrecht, sondern als Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht. Die Textzeile „helfen wir…gemeinsam“ ist aus der Sicht des Senats ebenso unangebracht wie der von ihm in der Korrespondenz zu dieser Anzeige ver-wendete Betreff „RAK X verbietet Flüchtlingen zu helfen“. Niemand hindert den Antragsteller an Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen zugunsten von Flüchtlingen. Die Zusage, 10% des von Rechtsschutzversicherungen gezahlten Honorars an eine Hilfsorganisation für jugendliche Flüchtlinge zu spenden, dient aber allenfalls nebenher der Absicht, Flüchtlingen zu helfen: In erster Linie sollen potentielle Mandanten, die grundsätzlich Flüchtlingen gegenüber positiv eingestellt sind und private Initiative zugunsten von Flüchtlingen gut finden, angelockt werden. Ginge es dem Antragsteller um die Unterstützung der Flüchtlingsarbeit, würde er dafür spenden. Dann wäre auch nichts dagegen einzuwenden, wenn er dies öffentlich bekanntmachen würde, um andere – Mandanten oder Nichtmandanten – zu motivieren, ihm nachzueifern (zu Vorwurf 8)……“
Zur Sache nur kurz: Über Geschmack lässt sich streiten und ich würde so- zumindest mit Anzeige Nr. 2 und 3 nicht werben. Aber „Reißerisch“ und „unsachlich“. Nun ja, wenn der AGH es so sieht. Das wird im Übrigen sicherlich nicht das Letzte sein, was wir von dem Kollegen hören…
Für die lesenden Strafrechtler: Wenn die Gutscheine für zivilrechtliche Rechtsgebiete zulässig sind, dann auch für alle anderen, einschließlich Strafrecht. 🙂
Und schließlich. Es muss sich um die Nennung des Namens des Kollegen niemand Gedanken machen. Ich habe mir dazu das „GO“ des Kollegen geholt, der dazu meinte:
ich könnte dazu etwas resignativ sagen, dass mich ohnehin bereits jeder kennt. Von daher brauchen Sie nichts zu anonymisierten; die Sachen waren schliesslich auch schon in der Zeitung.?
Aber es gibt dabei ja auch nichts „zu verstecken“.
Schreiben Sie also ruhig, wer sich da so frevelhaft am Antlitz der „heiligen deutschen Anwaltschaft“ vergangen hat.“
Der AGH geht wohl noch von der Geltung des Standesrechtes aus. Ich hoffe, der Kollege lässt diese Entscheidung ggf. in Karlsruhe prüfen.
in noch stärkerem Maße, sind viel Juristen ,sogar zweifelhaft und Schädigen den Ruf der unabhängigen Justiz , leider Traurig
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