Bei dem OLG Celle, Beschl. v. 26.05.2016 – 1 Ws 245/16 – handelt es sich in meinen Augen um eine Art „Steine statt Brot Entscheidung, bzw.: Das OLG nimmt mit der einen Hand, was es gerade mit der anderen Hand gegeben hat. Es geht um die Pflichtverteidigervergütung und dabei um das sattsam bekannte Probleme der Erstattung der Kosten für Ausdrucke von Ablichtungen einer auf CD endgültig dem Pflichtverteidiger überlassenen Aufzeichnung einer Telekommunikation, immerhin in einem Umfang von insgesamt 33.394 Seiten. Das Ganze macht der Pflichtverteidiger ein wenig spät geltend, so dass die Landeskasse Verwirkung einwendet.
Insoweit – also zur Verwirkung – „gibt“ die Landeskasse dem Plfichtverteidiger und verneint die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung – die dazu gemachten Ausführungen entsprechen der H.M. in der Rechtsprechung. Aber zu den Auslagen für die Ausdrucke wird dann gleich wieder genommen. Denn die werden nicht erstattet.
aa) Die durch Ausdrucken der kompletten Telekommunikationsinhalte auf der ihm dauerhaft überlassenen CD im Umfang von 33.394 Seiten entstandenen Auslagen sind nicht erstattungsfähig.
Nach Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a W RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendungen für Ausdrucke aus Gerichtsakten ersetzt, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Ausdrucke kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Beschwerdeführers oder darauf an, ob in seiner Kanzlei eine elektronische Aktenbearbeitung üblich ist oder nicht. Vielmehr ist auf die objektive Sicht eines verständigen sachkundigen Dritten abzustellen. Dabei besteht zwar ein gewisser Ermessenspielraum; andererseits ist der allgemeine Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2011 – 1 Ws 415¬418/11 – NJW 2012, 1671 mit weiteren Nachweisen).
Der Senat hat zwischenzeitlich seine von dem Beschwerdeführer zitierte vorherige Rechtsprechung (OLG Celle, NJW 2012, 1671) nach der aus der allgemein anerkannten Beweislastverteilung nach § 46 Abs. 1 RVG gefolgert wurde, dass auch bei der Anwendung von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a W RVG die Staatskasse darlegen und beweisen müsse, dass die Aufwendungen nicht notwendig waren, aufgegeben (OLG Celle, Beschluss vom 11. Dezember 2015 — 1 Ws 518/15 juris). Da das Vergütungsverzeichnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG als Anlage zum RVG ausgestaltet worden ist, sind seine Reglungen Bestandteil des Gesetzes. Deshalb hat in der hier zu beurteilenden Frage die speziellere Regelung in Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG Vorrang; diese weist aber die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Ausdrucke dem zu, der hierfür Aufwendungen geltend macht, also dem Rechtsanwalt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.09.2014 – 111-1 Ws 247/14, 111- 1 Ws 293/14,- juris; OLG Rostock JurBüro 2014, 637; OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 2015, 332).
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist nicht erkennbar, dass der Ausdruck der CD für die sachgerechte Bearbeitung durch den Beschwerdeführer im Sinne von Nr. 7000 Abs. 1 a VV RVG geboten war.
Dem Beschwerdeführer stand die gesamte Aufzeichnung der Telekommunikation dauerhaft in digitalisierter Form zur Verfügung. Er konnte darauf – das Vorhandensein entsprechender Hard- und Software vorausgesetzt – jederzeit Zugriff nehmen. Eine Fallkonstellation, in der die Gerichtsakten dem Rechtsanwalt nur vorübergehend überlassen wurden und er deshalb daraus Dateien für seine eigenen Unterlagen ausdrucken musste, war deshalb nicht gegeben. Das gilt auch während der Teilnahme an der Hauptverhandlung.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer. persönlich nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Computer gearbeitet habe. Denn dies belegt nicht die Notwendigkeit der Ausdrucke vom Standpunkt eines objektiven Dritten.
Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, sich aufgrund langjähriger Erfahrung eine spezielle Lesetechnik erarbeitet zu haben, die es ermögliche, physisch in Papierform vorliegenden Text quasi zu scannen, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung, weil es nicht auf die subjektive Sicht des Rechtsanwalts, sondern auf die objektive Sicht eines sachkundigen Dritten ankommt.
Das Studium umfangreicher Akten am Bildschirm mag von dem Beschwerdeführer als unangenehmer und für die Augen ermüdender empfunden werden als das Lesen von Papierakten. Eine objektive Notwendigkeit, die Dateien deshalb (vollständig) auszudrucken, folgt daraus auch angesichts der vorgetragenen – auch starken – Sehbeeinträchtigung nicht. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht mit eine Sehhilfe korrigiert werden kann.“
Nun ja, das ist grudnsätzlich leider auch h.M.. Dass dem OLG insoweit nun aber sogar auch eine vom Rechtsanwalt vorgetragene – auch starke – Sehbeeinträchtigung nicht ausreicht, ist allerdings neu und für ich wenig verständlich. Auch die Begründung: „Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht mit einer Sehhilfe korrigiert werden kann.“ macht die Argumentation des OLG für mich nicht nachvollziehbarer. Man fragt sich, warum fragt man denn nicht mal nach.