Mit der ausdrücklichen Bitte um Einstellung in das „RVG-Rätsel“ hat mich vor einigen Tagen folgende Frage eines Kollegen erreicht:
….heute nehme ich mir heraus, auch einmal an Ihrem sehr beliebten Contest „ich habe da mal eine Frage“ teilzunehmen, verbunden mit einer Entschuldigung, Ihnen Ihre Zeit zu stehlen:
Das Gericht hatte seinerzeit 2013 Rechtsanwalt Y als notwendiger Verteidiger bestellt. Das RA Y ist am 31.12.2015 aus der Anwaltschaft ausgeschieden. Verfahren dümpelt immer noch in der ersten Instanz. Das Gericht hat jetzt dann die Beiordnung von Y aufgehoben und mich als neuen Notwendigen beigeordnet.
Die Beiordnung erfolgte mit folgender Einschränkung: „unter Anrechnung der durch die bisherige Bestellung bereits ausgelösten Gebühren“. Einen ausdrücklichen oder konkludenten Verzicht habe ich nicht erklärt.
Richtig oder falsch?
Gibt es dafür eine Rechtsgrundlage? Weder in §§ 54 ff. RVG noch in §§ 140 ff StPO kann ich eine finden.
Ist eine solche Beschränkung im Beiordnungsbeschluss überhaupt für das spätere Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG bindend?Ich würde mich freuen, wenn Sie Zeit fänden, diese Frage in Ihrem vielgelesenen Blog einzustellen (Rubrik: „Ich hab da mal eine Frage“) J
Allerbeste koll. Grüße….“
Nun? Wer hat eine Idee/Antwort?
Klares Nein: § 58 III RVG ist nicht anwendbar, da neuer Pflichtverteidiger noch nichts erhalten hat. Insoweit ist der Rechtsgedanke aus § 49b I S.1 BRAO auch für den Anspruch gegen die Staatskasse anzuwenden, wonach es unzulässig ist geringere als RVG Gebühren zu vereinbaren oder zu fordern. Eine Einschränkung -„unter Anrechnung der durch die bisherige Bestellung bereits ausgelösten Gebühren“ – ist daher unzulässig.
Den Rechtsgedanken aus § 49b I S.1 BRAO halte ich im Verhältnis zur Staatskasse nicht für einschlägig. Ein Fall des § 58 III RVG liegt nicht vor. Eine Rechtsgrundlage für die Beschränkung im Beiordnungsbeschluss vermag ich nicht zu erblicken.
Um welche „ausgelösten Gebühren“ geht es denn?
Will man einen Pflichtverteidiger bestellen und ihm keine Grund- und Verfahrensgebühr geben? Das ist doch per se abwegig.
Die Grundgebühr entsteht jedem Verteidiger für die Einarbeitung. Es wurde sogar diskutiert, ob sogar der reine Terminvertreter, der einmal als beigeordneter Pflichtverteidiger einspringt, die Grundgebühr auch zu erhalten hat.
Die Verfahrensgebühr entsteht – solange es sie gibt – als Betriebsgebühr, wenn man als Anwalt (Verteidiger) vertretend tätig ist.
Dass der neu beigeordnete Pflichtverteidiger aber nur seine Terminsgebühren erhält -, und nicht die seines Vorgängers – halte ich für rechtlich in Ordnung. Nur so ist der Beirodnungsbeschluss m. E. gesetzeskonform auszulegen und daher auch wirksam.