Beweislastentscheidungen sind für die unterlegene Partei immer misslich. Das gilt für den Rechtsanwalt vor allem dann, wenn es um die Frage der Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) geht. Zu der Frage, wie in diesem Streit die Beweislast verteilt ist, hat jetzt noch einmal das OLG Karlsruhe im Urt. v. 17.03.2016 – 17 U 4/16 – Stellung genommen.
Im Streit war die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung eines Pflichtverteidigers. Dieser hatte für seine Tätigkeiten bis zum Abschluss der ersten Instanz mit dem Mandanten einen Betrag von 7.000 € zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagen vereinbart. Inhalt und Ablauf des beim Abschluss der Vergütungsvereinbarung geführten Gespräches war zwischen den Rechtsanwalt und dem Mandanten streitig. Der Rechtsanwalt hat verschiedene Tätigkeiten zur Bearbeitung des Mandats und zur Verteidigung des Beklagten erbracht. Auf Veranlassung der Familie des Beklagten wurde ein Vorschuss von 2.000 € gezahlt. Später kündigte dann ein neuer Verteidiger des Beklagten gegenüber dem Rechtsanwalt für den Beklagten die Kündigung das Mandat. Der Beklagte beantragte daraufhin die Entpflichtung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger. Das AG hat dem Antrag entsprochen. Der Beklagte hat in der Folgezeit (vergeblich) die Rückzahlung des geleisteten Vorschusses sowie die Erstattung der ihm außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten verlangt. Der Rechtsanwalt hat die Zahlung der weiteren Vergütung in Höhe von 5.000 € geltend gemacht. Das LG hat im Verfahren Beweis erhoben und dann die Klage über 5.000 € und die Widerklage auf Rückzahlung der 2.000 € abgewiesen. Nach der Beweisaufnahme habe es ein non-liquet hinsichtlich des freiwilligen Zustandekommens der Honorarvereinbarung gegeben. Da die Beweislast beim jeweiligen Anspruchssteller liege, seien Klage und Widerklage abzuweisen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Dagegen ist die Anschlussberufung des Beklagten erfolgreich gewesen.
Das OLG geht (ebenfalls) davon aus, dass der Rechtsanwalt den Beweis für den Abschluss einer wirksamen Vergütungsvereinbarung nicht erbracht hat. In dem Zusammenhang macht das OLG ganz interessante Ausführungen zur Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung zwischen Pflichtverteidiger und Beschuldigtem:
„a) Eine wirksame Honorarvereinbarung zwischen Pflichtverteidiger und Beschuldigtem setzt voraus, dass der Beschuldigte sie freiwillig abgeschlossen hat. Die Freiwilligkeit des Vergütungsversprechens oder der Vergütungsleistung gehört zu den Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit. Von einem freiwilligen Abschluss kann in diesem Zusammenhang nur gesprochen werden, wenn der Beschuldigte die gebührenrechtliche Lage richtig übersieht, soweit sie für ihn von Bedeutung ist. Erforderlichenfalls ist der Rechtsanwalt zu einer Belehrung verpflichtet. Der Mandant muss nicht nur wissen, dass er bei Abschluss einer Honorarvereinbarung mehr verspricht oder zahlt, als er nach dem Gesetz leisten muss, sondern auch, dass der Pflichtverteidiger eine Vergütung von der Staatskasse erhält und zur Führung der Verteidigung daher kraft Gesetzes verpflichtet ist, auch wenn ihm der Beschuldigte keinerlei Vergütung entrichtet (BGH, Urt. v. 03.05.1979 – III ZR 59/78, MDR 1979, 1004, juris Rn. 25 ff.). Für die notwendige Kenntnis dieser besonderen gebührenrechtlichen Lage trägt, anders als etwa für den allgemeinen Unwirksamkeitseinwand der Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit durch unlautere Ausnutzung einer Drucksituation, der Rechtsanwalt die Beweislast (BGH, a.a.O., Rn. 34).
Insoweit war der Kläger nach Auffassung des OLG beweisfällig geblieben. Anders als das LG geht das OLG dann aber davon aus, dass das Beweisergebnis eines non-liquet hinsichtlich der Frage einer hinreichenden Belehrung über die gebührenrechtliche Lage nach den Umständen des Falles hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs der gezahlten 2.000 € nicht dem Beklagten, sondern dem klagenden Rechtsanwalt zur Last fällt:
„Zwar ist mit dem LG grundsätzlich davon auszugehen, dass der Anspruchsteller – also der Beklagte – die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, hier folglich die Rechtsgrundlosigkeit der Vorschussleistung zu tragen hat. Doch gilt hier unter dem Gesichtspunkt der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde etwas anderes, nachdem die Parteien ihre Vergütungsvereinbarung samt dazu erteilter Belehrungen in der schriftlichen Urkunde niedergelegt haben und die notwendige Belehrung über die Verpflichtung zur Fortführung der Verteidigung auch bei Nichtunterzeichnung der Vereinbarung in dieser Urkunde nicht enthalten ist. Wer – wie vorliegend der Kläger – behauptet, die mündlich erteilten Belehrungen seien über den Wortlaut und Inhalt der Urkunde hinausgegangen, ist für diesen Vortrag unabhängig von der prozessualen Rollenverteilung beweispflichtig (BGH NJW 99, 1702; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 416 Rn. 10).“
Anzumerken ist:
- Die Verteilung der Beweislast durch das OLG ist m.E. zutreffend. Denn das OLG verweist zu Recht auf BGH NJW 1999, 1702. Danach folgt aus der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde, hier der Vergütungsvereinbarung, bei der Auslegung des Vereinbarten, dass die Partei, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, hier der Kläger für die Belehrung, diese zu beweisen hat. Im Ergebnis bleiben damit dem Kläger nur die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren.
- Schlussfolgerung aus dieser – hier für den Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger – misslichen Entscheidung: Die dem Mandanten erteilte Belehrung muss auf jeden Fall in allen Einzelheiten in die schriftliche Vergütungsvereinbarung aufgenommen werden. Nur so lassen sich, wenn es zum Streit kommt, solche nachteiligen Beweislastentscheidungen vermeiden. Welchen Inhalt die Belehrung des Mandanten haben muss, hat das OLG ebenfalls festgestellt. Dazu wird auf die o.a. Entscheidungsgründe verwiesen.