Die zweite „Beweiswürdigungsentscheidung“ (zur ersten siehe hier: Anfängerfehler: Die Einlassung fehlt in den Urteilsgründen, und das beim Schwurgericht) enthält im Grunde, wenn nicht auch einen Anfängerfehler, aber zumindest doch einen Faux pas, der nicht sein muss/dürfte. Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 29.10.2015 – 3 StR 288/15 ein Urteil des LG Krefeld dann allerdings dann aus einem anderen Grund aufgehoben hat. Und zwar deshalb, weil Schlussfolgerungen des LG sich „so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 – 3 StR 259/09, NStZ-RR 2009, 351, 352; Beschluss vom 7. Februar 2013 – 3 StR 503/12, juris Rn. 10; KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 45 mwN).“
Das ist schon „peinlich“ genug. Schlimmer wird es dann m.E., wenn der BGH dann auf den weiteren Punkt hinweist, in dem er die Beweiswürdigung des LG als zumindest „rechtlich bedenklich“ ansieht, nämlich der Umgang des LG mit einer Alibibehauptung des Angeklagten:
„Die weitere Begründung der Strafkammer, weshalb sie die Alibibehauptung des Angeklagten für nicht glaubhaft gehalten hat, erweist sich jedenfalls als rechtlich bedenklich. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, dass gegen die Richtigkeit der Behauptung des Angeklagten, zum Tatzeitpunkt in Belgrad gewesen zu sein, auch spreche, dass seine Familie – anders als hinsichtlich des zunächst mitbeschuldigten Stiefsohns des Angeklagten – sich erst spät um die Alibizeugen gekümmert habe. Während der Verteidiger des Stiefsohns sogleich nach Erhebung des Tatvorwurfs eidesstattliche Versicherungen dieser Alibizeugen über dessen Aufenthalt in Belgrad im Tatzeitraum eingeholt habe, habe sich die Familie um entsprechende Erklärungen hinsichtlich des Angeklagten nicht bemüht. Es bestehe aber „kein vernünftiger Anhalt für die Annahme“, dass die Familie im März 2014 nur ein Alibi für den Stiefsohn besorgt hätte, obwohl sie gewusst habe, dass sich der Angeklagte zusammen mit diesem dort aufgehalten habe. Die Ehefrau des Angeklagten habe zur Aufklärung dieses Verhaltens nicht beigetragen, da sie vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die Unglaubwürdigkeit eines zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Zeugen aus Rechtsgründen indes nicht daraus hergeleitet werden, dass dieser zunächst geschwiegen und erst später seine entlastenden Angaben gemacht hat. Würde die Tatsache, dass ein Zeugnisverweigerungsberechtigter von sich aus nichts zur Aufklärung beigetragen hat, geprüft und gewertet, so könnte er von seinem Schweigerecht nicht mehr unbefangen Gebrauch machen, weil er befürchten müsste, dass daraus später Schlüsse zu Lasten des Angeklagten ge-zogen würden (BGH, Urteil vom 2. April 1987 – 4 StR 46/87, BGHR StPO § 52 Abs. 1 Verweigerung 1; Beschlüsse vom 22. Mai 2001 – 3 StR 130/01, StV 2002, 4; vom 13. August 2009 – 3 StR 168/09, NStZ 2010, 101, 102). Das Verbot, aus der Zeugnisverweigerung eines Angehörigen gegen den Angeklagten nachteilige Schlüsse zu ziehen, gilt auch dann, wenn der zur Zeugnisverweigerung Berechtigte überhaupt keine Angaben macht (BGH, Beschlüsse vom 22. März 1988 – 4 StR 35/88, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 8; vom 16. Juli 1991 – 1 StR 377/91, StV 1991, 450).“
Immerhin „rechtlich bedenklich“, m.E. noch sehr milde…..