In die Beweiswürdigung greifen die Revisionsgerichte i.d.R. nicht bzw. kaum ein. Nun ja, ich meine, dass in der letzten Zeit die Entscheidungen, in denen das geschehen ist, zugenommen haben. Die Gründe lassen wir mal hier und jetzt dahin gestellt. Häufiger eingeriffen wurde allerdings schon immer mehr in den Fällen der „Aussage-gegen-Aussage-Problematik“. Das mag sicherlich auch daran liegen, dass an der Stelle die Hürden des BGH doch recht hoch sind.
Exemplarisch ist da der BGH, Beschl. v. 02.09.2015 – 2 StR 101/15, bei dem die Beweiswürdigung allerdings noch zusätzlich dadurch erschwert war, weil es sich um kindliche Zeugen gehandelt hat:
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52).
Beruht die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten allein auf der Aussage eines Belastungszeugen, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, so sind an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu stellen. Die Urteilsgründe müssen in Fallkonstellationen der genannten Art erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159). Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst ist einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGH, a.a.O., S. 158). Macht der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter mit diesem Umstand auseinandersetzen und regelmäßig darlegen, dass und aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen haben (BGH, Urteil vom 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257). Darüber hinaus ist es in Fallkonstellationen, in denen die Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung in wesentlichen Teilen von seinen früheren Angaben abweichen, geboten, jedenfalls die entscheidenden Teile seiner Aussagen in den Urteilsgründen wiederzugeben, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111; Beschluss vom 24. April 2014 – 5 StR 113/14, NStZ-RR 2014, 219).“
Den Anforderungen war das landgerichtlicheUrteil nicht in vollem Umfange gerecht geworden, denn
- es fehlte schon an einer aus sich heraus verständlichen, zusammenhängenden Darstellung der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung, die eine Überprüfung der Aussagequalität und der Aussagekonstanz sowie eine Auseinandersetzung mit den festgestellten, auch das Kerngeschehen betreffenden Abweichungen durch das Revisionsgericht ermöglicht,
- es waren auch die Feststellungen und Erwägungen zur Aussageentstehung, die für die Bewertung kindlicher Zeugenaussagen von besonderer Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2014 – 5 StR 113/14, NStZ-RR 2014, 219), lückenhaft.
— 14 Gleiches gilt für die Bewertung des Landgerichts , dass die unterschiedl i- chen Schilderungen unter Berücksichtigung des kindlichen Alters und der fehlenden Sexualkenntnisse der Zeugin ohne Weiteres mit einander vereinbar seien. —
Was bitte bedeutet das genau?
Steht doch im Beschluss: „Gleiches“ = das bezieht sich auf die Ausführungen bei Rz. 13