Nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung: Man muss schon ein wenig vorarbeiten, Herr Rechtsanwalt

© pedrolieb -Fotolia.com

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Es ist Montagnachmittag und damit an sich Zeit für die Lösung eines RVG-Rätsels. Da es aber (auch) am vergangenen Freitag – es war der 01.01.2016 – kein Gebührenrätsel gegeben hat, kann es heute auch keine Lösung geben. Aber dafür eine Entscheidung mit zumindest gebührenrechtlichem Einschlag. Dabei handelt es sich um den LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.10.2015 – 4 Qs 14/15, der noch einmal die Problematik der nachträglichen Beiordnung des Pflichtverteidigers behandelt. Es geht aber mal nicht um die Beiordnung im Erkenntnisverfahren, sondern um die im Strafvollstreckungsverfahren.

Das LG wendet die Rechtsprechung der Obergerichte zur nachträglichen Beiordnung entsprechend an und sagt: Grundsätzlich keine nachträgliche Beiordnung. Ausnahmsweise aber ggf. Beiordnung durch schlüssiges Verhalten. Dafür ist aber erforderlich, dass das Verhalten des Vorsitzenden unter Beachtung der sonstigen maßgeblichen Umstände zweifelsfrei den Schluss auf eine Beiordnung rechtfertigt. Anerkannt ist eine solche konkludente Beiordnung in Fällen, in denen der Wahlverteidiger sein Mandat niedergelegt und beantragt hatte, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen, eine ausdrückliche Bestellung jedoch unterblieb. Das LG hat die Voraussetzungen dann verneint:

„Der Beschwerdeführer hat keine Beiordnung beantragt. Auch liegt kein Fall notwendiger Verteidigung analog § 140 Abs. 2 StPO vor, so dass die Mitwirkung eines Verteidigers rechtlich nicht geboten war. Der vorliegende Fall war im betreffenden Verfahrensstadium eindeutig weder rechtlich, noch tatsächlich schwierig, noch lag eine Schwere des Vollstreckungsfalls vor; dass der Verurteilte sich hinsichtlich des beabsichtigten Gesamtstrafenbeschlusses nicht selbst verteidigen konnte, ist nicht ersichtlich. Allein die möglicherweise damals problematische Zustellungssituation begründet noch keine der genannten Voraussetzungen. Die durch den Beschwerdeführer geltend gemachte Heroinabhängigkeit oder der Aufenthalt in Therapieeinrichtungen sind in vergleichbaren Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz regelmäßig gegeben und belegen auch dort regelmäßig nicht, dass der Verurteilte nicht in der Lage ist, sich im Nachtragsverfahren selbst zu verteidigen. Dass der Verurteilte aufgrund weiterer besonderer Umstände, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeit nicht in der Lage war, sich zu verteidigen, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass an eine Verteidigung im kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren weitaus höhere Anforderungen zu stellen sind, als an eine Verteidigung wie hier im Nachtragsverfahren, so dass auch der durch den Beschwerdeführer angestellte Vergleich mit der Beiordnung in anderen Strafverfahren gegen den Verurteilten nicht verfängt – zumal die Beiordnung in anderen Verfahren aufgrund (zusätzlicher) anderer Umstände erfolgt sein kann, als die durch den Beschwerdeführer angebrachten.

Auch im Übrigen gibt das Verhalten der Vorsitzenden keine Veranlassung eindeutig von einer Pflichtverteidigerbeiordnung auszugehen. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass zumindest die Bezeichnung als Pflichtverteidiger in der Beschlussausfertigung vom 23.03.2011 für eine Beiordnung spricht, jedoch war der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bereits tätig geworden und das Nachtragsverfahren im Hinblick auf den zu bildenden Gesamtstrafenbeschluss vor dem Amtsgericht abgeschlossen. Zuvor wurde er ausweislich des Vollstreckungshefts gerade nicht als Pflichtverteidiger bezeichnet – insbesondere auch nicht in der Verfügung der Vorsitzenden vom 01.02.2011 (BI. 23 des Vollstreckungshefts). Außerdem kann die Bezeichnung in der Beschlussausfertigung im Hinblick auf die bereits dargestellten Gründe und die damalige Verfahrenssituation für einen erfahrenen Strafverteidiger nicht den Eindruck entstehen, das Gericht habe ihn für die Frage der Bildung eines Gesamtstrafenbeschlusses beiordnen wollen. Ein solcher Wille lag im konkreten Fall auch nicht nahe, da dieser zum fraglichen Zeitpunkt keinerlei Besonderheiten aufwies.“

Also: Auf jeden Fall einen Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger stellen und an dessen Erledigung dann auch erinnern. Ein bisschen Mitarbeit/Vorarbeit/Zuarbeit ist schon ganz hilfreich …….

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