AG Traunstein: „Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, welches Theater die Firma ESO …. mit den Messdaten betreibt.“

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Der Kollege Geißler aus Wupertal hatte im „Verkehrsrechts-Forum“ bei Facebook – ja, was es so alles gibt und wo ich mich so überall „rumtreibe“ – über das AG Traunstein, Urt v. 28.10.2015 – 520 OWi 330 Js 37854/14 – berichtet und es mir auf meine Bitte dann geschickt. Besten Dank.

Im Urteil geht es mal wieder um ESO ES 3.0 und die  Frage der Verwertbarkeit dieser Messung – Stichwort: Rohmessdaten. Nun lassen wir heute mal diese Frage zur Verwertbarkeit der Messung dahinstehen, dazu ist bereits genug geschrieben. Was aber (mal wieder) interessant ist, ist das Verhalten der Firma ESO, das das AG in seinem Urteil sehr schön darstellt:

e) Der Verteidiger führte mit Schriftsatz vom 01.09.2015 aus, dass trotz des umfangreichen Sachverständigengutachtens und des Ergänzungsgutachtens vom 06.08,2015 noch immer Zweifel im Hinblick auf die Zuordnung der Daten bestehen. Zu bemängeln sei insbesondere, dass die Auswertung der Rohmessdaten durch die Firma ESO selbst erfolge und der Sachverständige die Daten nicht selbst einsehen könne. Es sei völlig unklar, ob die durch ESO zur Verfügung gestellte Textdatei in irgendeinem Zusammenhang mit dem hier gegenständlichen Messvorgang stehe. Der Sachverständige könne daher die Rohmessdaten nicht selbst prüfen, sondern lediglich feststellen, dass bei den übermittelten Daten keine Abweichungen auftreten.

Hierzu wurde der Zeuge B. zum Hauptverhandlungstermin geladen. Dieser gab an. dass er die Daten-CD mit den 240 Messungen übersandt bekommen habe. Er habe die Daten für den hier gegenständlichen Messvorgang auf den PC geladen, die Daten extrahiert, die ermittelten Zahlenwerte und Sensorpunkte wieder auf eine CD gebrannt und zurückgesandt. Der Signalverlauf des gemessenen Fahrzeugs sei nun sichtbar. Der Zeuge B. gab an, dass er die Daten nicht verändert habe. Der unverschlüsselte Datensatz sei dann zur Auswertung zur Verfügung gestellt worden, Die von dem Sachverständigen Dr. T. gestellten Fragen („Woher weiß ich, dass der durch die Firma ESO zur Verfügung gestellte Datensatz vollständig ist?“ und „Sind dass die tatsächlichen (Roh-)Messdaten, oder wurden diese Daten bereits in irgendeiner Art und Weise bearbeitet?“) konnte der Zeuge B. nicht beantworten. Es ist nun in der Tat etwas verwunderlich, welche Geschäftspraxis die Firma ESO betreibt. Denn trotz mehrfacher Versuche, den hierfür zuständigen Mitarbeiter wenigstens telefonisch zu erreichen, war dies schlichtweg nicht möglich. Zunächst hieß es, dass Herr R. die Fragen beantworten könne, dieser sich jedoch in der Mittagspause befinde. Nach einiger Zeit teilte der Zeuge B. mit, dass er Herrn R. nun doch zu Hause telefonisch habe erreichen können, dieser aber die Fragen auch nicht beantworten könne. Vielmehr könne nur Herr H. Auskunft geben. Herr H. sei Programmierer und freischaffender Mitarbeiter bei der Firma ESO. Am Terminstag sei Herr H. aber leider nicht erreichbar. Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, welches Theater die Firma ESO — im Gegensatz zu Poliscan oder Vitronic — mit den Messdaten betreibt. Sie macht sich damit angreifbar und bläht die Verfahren — wie hier — völlig unangemessen auf. Dessen ungeachtet vermag sich das Gericht indes der Auffassung des Verteidigers, dass die Firma ESO aus einem Datenpool Datensätze zur Verfügung stellt, die mit dem Messvorgang überhaupt nichts zu tun, nicht anzuschließen. Dies aus folgenden Gründen:…..“

Deutliche Worte des AG, das aber (zu) langmütig ist und aus dem „Theater der Firma ESO“ keine Konsequenzen zieht. Aber die hat der Verteidiger gezogen. Er hat Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung beantragt. Der Zulassungsantrag ist dann auch inzwischen begründet. Übrigens reichlich Lesestoff für das OLG Bamberg, das sich durch 96 Seiten wird kämpfen müssen. Vielleicht kommt es ja dann zu einer Umkehr in der Rechtsprechung. Allein mir fehlt – wenn ich mir die „Beton-Rechtsprechung“ der OLG aus der letzten Zeit so anschaue, dann leider doch der Glaube. Aber: Nur ein Versuch macht klug.

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