Archiv für den Monat: November 2015

Diebstahl hat zu Mord i.d.R. keine enge Beziehung

© Dan Race Fotolia .com

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Jetzt dann mal eine Entscheidung aus einem ganz anderen Bereich, und zwar „großes Kino“ = die besondere Schwere der Schuld beim Mord (§ 57a StGB). Ich meine, dass ich dazu bislang noch nie gepostet hatte. Zu der Frage bin ich aber vor einiger Zeit auf eine ganz interessante Entscheidung des BGH gestoßen, nämlich den BGH, Beschl. v. 19.05.2015 – 1 StR 152/15. Sachverhalt und Problem dann wie folgt: Das LG hatte den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und dabei auch festgestellt, dass die Schuld besonders schwer wiegt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Dagegen die Revision des Angeklagten mit der u.a. die Bejahung der besonderen Schuldschwere angegriffen worden ist. Und der Angeriff hat Erfolg:

„Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht die besondere Schuldschwere im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne der §§ 46, 57a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; BGH, Beschluss vom 5. April 2001 – 4 StR 106/01, NStZ-RR 2001, 296 jeweils mwN). Doch auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.

Das Landgericht hat schulderschwerend gewertet, dass der auch wegen Diebstahls vorgeahndete Angeklagte noch während der Unterbringung in der Entziehungsanstalt im Rahmen der gewährten Vollzugslockerungen Diebstahlstaten begangen hat. Das wegen der dahingehenden Vorwürfe geführte Ermittlungsverfahren ist nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden.

Zwar hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass die eingestellten Diebstahlsvorwürfe zutreffen. Dennoch erweist sich die Berücksichtigung dieser Taten zu Lasten des Angeklagten bei der Gewichtung der Schwere der Mordschuld als rechtsfehlerhaft. Bei der Bewertung sonstiger strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ohne gesonderte Anklage – bei Beachtung der Unschuldsvermutung und der Vermeidung einer Doppelbestrafung – kann es in aller Regel nur darum gehen, Umstände festzustellen, die wegen ihrer engen Beziehung zur Tat als Anzeichen für Schuld oder Gefährlichkeit des Täters verwertbar sind. Diese durch Sinn und Zweck von § 46 Abs. 2 StGB gezogene Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn es an dem notwendigen inneren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatvorwurf fehlt (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 448/13, NStZ 2014, 202 mwN). Eine solche enge Beziehung der Diebstahlstaten zum Mord ist hier nicht dargetan (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. August 2001 – 3 StR 162/01). Denn es handelt sich bei diesen Taten weder um vergleichbare bzw. gleichartige Schuldvorwürfe, aus de-nen sich unmittelbare Rückschlüsse auf die Tatschuld des Angeklagten ableiten ließen, noch waren die Diebstahlstaten Anlass für die Tötung der Geschädigten oder standen dazu in einem sonstigen inneren Zusammenhang.“

„anwaltliche Paranoia“ oder: Kampf gegen Windmühlenflügel?

entnommen wikimedia.org Uploaded by Zaqarbal

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Ich komme dann noch einmal auf meinen gestrigen Beitrag Sondermeldung: Gewaltenteilung in Hessen wohl aufgehoben, oder: Hinterzimmermauschelei im Bußgeldverfahren? zurück. Der hat sich einige Kommentare gefangen. Natürlich auch – ich hatte es erwartet – von meinem Lieblingskommentator, der anonym „angemerkt“ hat:

„Gast schreibt:

Ach du liebe Güte – Sie glauben im Ernst, dass die „Vertreter des OLG Frankfurt am Main“ sich erst von den Verwaltungsheinis die Regeln diktieren lassen und dann jeden hessischen Amtsrichter (von denen ja allenfalls eine Handvoll bei dem Gespräch dabei war) einzeln und mit Schweigegelübde auf deren Einhaltung vergattern? Ein solches Maß an anwaltlicher Paranoia dürfte der sachgerechten Berufsausübung aber eher entgegenstehen.“

Nein, das glaube ich so nicht, und das stand dort auch so nicht im Beitrag. Ich hatte vielmeher über eine „Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte am 23.04.2015“ berichtet, in der „auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert“ und eine „grundsätzliche Verfahrensweise…… festgelegt“ wurde. Das es die „Dienstbesprechung“ gegeben hat, darüber braucht man m.E. nicht zu diskutieren. Das Regierungspräsidium Kassel teilt es ja – offenbar ohne jedes „Schuldbewusstsein“ – mit.  M.E. ein Vorgang, der, um nicht das bei meinem Kommentator „unbeliebte“ Wort „fassungslos“ zu gebrauchen, den leser zumindest „beeindruckt“ und mit der Frage zurücklässt, welches richterliche Selbstverständnis da zu Tage tritt.

Und das das nichts mit „anwaltlicher Paranoia“ zu tun hat, zeigt m.E. ein weiterer Kommentar, in dem es dann heißt:

„Ich hatte ja schon ein bisschen darauf gewartet, dass Sie, Herr Burhoff, auf dieses Thema aufmerksam machen.

Der zuständige Richter vom OLG Ffm hat offenbar eine sehr spezielle Auffassung von fairen OWi-Verfahren. Mir ist aus verschiedenen Quellen zugetragen worden, dass von ihm wohl hessische AG-Richter „eingenordet“ worden seien, jeden Einspruch zu verwerfen. Er, so meine Informanten, würde dafür sorgen, dass alle Rechtsbeschwerden abgeschmettert werden. Dass ich nichts Schriftliches dazu habe, dürfte sich von selbst verstehen.

Der RiOLG, bei einem Vortrag habe ich das selbst erlebt, glänzt dabei nicht unbedingt durch Fachkompetenz hinsichtlich der Messverfahren und dem Zulassungsprozedere. Das geht auch aus dem Beschluss 2 Ss-OWi 1041/14 hervor. Damit man ihm nicht auf die Schliche kommt, muss ein Betroffener eben erst einen Messfehler nachweisen, bevor z. B. ein SV beauftragt wird. Da nicht einmal Messdaten herausgegeben werden, ist das schwerlich möglich. Starker Tobak.“

Das lasse ich dann mal unkommentiert stehen. Der Leser kann/soll es für sich selbst bewerten. Jedenfalls muss man sich aber als Verteidiger in OWi-Verfahren in Hessen, in denen es (auch) um die Messdaten geht, fühlen wie beim Kampf gegen Windmühlenflügel. Und das ist schon „unfassbar.

Der Gefangene darf mit seinem Verteidiger telefonieren, oder: Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie

1896_telephoneDer OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2015 – 1 Vollz (Ws) 401/15 – enthält leider keinen (umfassenden) Sachverhalt. Den muss man sich aus der Entscheidung „erdenken“. Danach war es wohl so, dass ein Gefangener mit seinem Verteidiger telefonieren wollte, was die JVA offenbar nicht genehmigt hat. Darüber hat es dann ein Verfahren bei der StVK gegeben, die dann jedoch entschieden hat, dass sich das Verfahren erledigt habe, nachdem der Betroffene selbst erklärt hatte, dass es des begehrten Telefonats mit dem Verteidiger nicht mehr bedürfe, weil das Mandatsverhältnis nicht mehr bestehe.

Damit hatte sich die Sache letztlich auch beim OLG „erledigt“, das jedoch vorsorglich auf Folgendes hingewiesen hat:

„Telefongespräche mit dem Verteidiger sind nach § 26 Abs. 1 und 5 StVollzG NW zu bewilligen. Die Entscheidung hierüber steht nicht im Ermessen der Anstalt. Das belegt nicht nur die Formulierung des Gesetzestextes sondern auch die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/5413 S. 108). Darin heißt es: „Absatz 5 stellt klar, dass auch Telefongespräche der Gefangenen mit dem in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 genannten, insoweit privilegierten Personenkreis zu gestatten sind“. Könnten nach dem Gesetzeswortlaut (Telefonate „von“ Verteidigerinnen und Verteidigern etc.) noch Zweifel bestehen, ob dies nicht lediglich ankommende Telefongespräche betrifft, so macht die Gesetzesbegründung insoweit keine Einschränkung und es würde dem Schutzzweck der Regelung zuwiderlaufen, gerade die besonders wichtige Möglichkeit der Kontaktaufnahme vom Gefangenen zum Verteidiger als Ermessensentscheidung auszugestalten.

Insoweit kann also nicht das „Ob“ der Genehmigung des Telefonats im Ermessen der Justizvollzugsanstalt stehen, sondern allenfalls der Zeitpunkt.“

Ring frei III: OLG Rostock zur Auswertung von Messungen durch Private, oder: Alles in allem – unschön

© Alex White - Fotolia.com

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Der OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 zur (zulässigen) Auswertung der Geschwindigkeitsmessung durch einen privaten Dienstleister schlägt Wellen. Es ist bereits in Blogs darüber berichtet worden und ich bin inzwischen von so vielen Lesern meines Blogs auf diesen Beschluss hingewiesen worden, dass ich dann mal eine Planänderung vornehme. An sich hatte ich den Beschluss erst für morgen vorgesehen aber. Aber nun dann jetzt schon.

Aufgehoben hat das OLG Rostock ein Urteil des AG Parchim v. 01.04.2015, das ein Beweisverwertungsverbot angenommen hatte, weil die Verwaltungsbehörde die Auswertung von Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung, deren Ergebnis dann schließlich zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens gegen den Fahrer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung geführt hatte, in vollem Umfang in die Hände eines privaten Unternehmen gegeben hatte (vgl. dazu auch – ein anderes –  AG Parchim, Urt. v. 01.04.2015 –  5 OWi 2215/14 und dazu Ring frei II: AG Parchim: Der „Landkreis..“ hat „…. zu vertuschen versucht…“. Der Amstrichter hatte frei gesprochen und dabei die Verwaltungsbehörde nicht geschont. Die Staatsanwaltschaft ist in die Rechtsbeschwerde gegangen. Das OLG hat aufgehoben und zwar auf die Aufklärunsgrüge der Staatsanwaltschaft hin.

Da der Beschluss schon an vielen Stellen veröffentlicht ist, erspare ich mir an dieser Stelle Zitate und beschränke mich zunächst auf die Leitsätze des OLG:

1. Die vertraglich vereinbarte Auswertung der mit standardisierten Messverfahren bei behördlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ordnungsgemäß erhobenen und bei der Verwaltungsbehörde verbliebenen Rohmessdaten durch einen privaten Dienstleister ist zulässig und führt für sich genommenen zu keinem Beweisverwertungsverbot im weiteren Bußgeldverfahren.

2. Hegt der Tatrichter Zweifel an einer den Vorgaben des Geräteherstellers und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt im Zuge der Zulassung des standardisierten Messverfahrens entsprechenden ordnungsgemäßen Auswertung der Messdaten durch den privaten Dienstleister, gebietet es die richterliche Aufklärungspflicht, die Richtigkeit des Auswertungsergebnisses durch andere sachverständige Stellen überprüfen zu lassen.

Und zu dem Beschluss dann einige erste Anmerkungen/Gedanken:

  • Das OLG hat durch den Einzelrichter entschieden,weil „das Verfahren keinen Anlass [bietet], zu Fragen der richterlichen Sachaufklärungspflicht oder zur Zulässigkeit der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Aufklärungsrüge zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung grundsätzliche Ausführungen zu machen (§ 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG). Alle damit im Zusammenhang stehenden Rechtsprobleme sind durch die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung vielfach und ausreichend geklärt.“ Und was ist mit der Frage des Beweisverwertungsverbotes? Ach so, ja die Frage hat man elegant damit „umschifft“, dass der Einzelrichter darauf die Entscheidung nicht gestützt hat, sondern zu den Fragen nur in einer „Segelanweisung“ Stellung genommen hat.
  • Und damit hat der Einzelrichter dann gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Damit ist dann nämlich auch die Frage der Divergenzvorlage auf jeden Fall vom Tisch: „Eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof war aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 12.10.2015 zutreffend aufgeführten Gründen nicht veranlasst, zumal über die Frage eines Beweisverwertungsverbots vom Senats derzeit nicht entschieden werden musste, weil bereits die Aufklärungsrüge durchgreift.“ Und die Frage hätte m.E. im Raum gestanden, da u.a. das OLG Naumburg u.a. auf die „Erlasswidrigkeit“ (s)ein Beweisverwertungsverbot gestützt hatte (vgl. vgl. dazu auch OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr). Auch andere OLG haben das m.E. anders gesehen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2003 – 2 Ss Owi 388/02).
  • Ob die Auffassung des OLG so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Das OLG argumentiert zum „Erlass“: „Darauf, ob die Verwaltungsbehörde „erlasswidrig“ handelte, als sie die Datenaufbereitung und -auswertung einem privaten Dienstleister übertrug, kommt es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht an. Selbst wenn diese Einschätzung zutreffen sollte, würde dies für sich genommen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen, weil dieser Erlass, der allein dem öffentlichen Interesse der Organisation des Messvorgangs und seiner Auswertung dient, ausschließlich im Binnenverhältnis zwischen Verwaltungs- und Aufsichtsbehörde Bindungswirkung entfaltet, nicht jedoch eine mit der Begründung subjektiver Rechte verbundene Außenwirkung, auf die sich ein Betroffener im Falle der Nichtbeachtung zu seinen Gunsten berufen könnte.“ Dazu würde man gerne man was „von ganz oben hören“, aber: Divergenzvorlage haben wir ja nicht.
  • Mich persönlich stört dann das „Abwatschen“ des Amtsrichters in der Begründung, warum man an eine andere Abteilung zurückverweist: „Der Senat hat es angesichts der auch im schriftlichen Urteil (dort insbesondere Seite 4) geäußerten harschen und in den Vorwurf bewusst rechtsstaatswidrigen Verhaltens gipfelnden Kritik des Tatrichters an den verwaltungsbehördlichen Verfahrens- und Verhaltensweisen, die auch über die Presse gezielt an die Öffentlichkeit getragen wurden, für erforderlich gehalten, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des nunmehr örtlich zuständigen Amtsgerichts Ludwigslust – Zweigstelle Parchim – zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).“ Nun, wenn ich die Schilderung des Verfahrensgangs und des Verhaltens des Verwaltungsbehörde so lese, dann habe ich schon den Eindruck, dass die Verwaltungsbehörde versucht hat, das AG zu „ver……schen“. Und da soll er dann fröhlich bleiben? Wie hatte mir dann auch ein „richterlicher Hinweisgeber“ geschrieben: „So eine Klugscheißerei und dann noch auf den zuvor von der Behörde nach Strich und Faden verarschten Richter draufhauen, das ist unglaublich. Was lernt man daraus? Lieber 47 statt Freispruch…..,
  • Schließlich: Man muss sich als Verteidiger ja immer auch fragen, welche Lehren man aus solchen Entscheidungen zieht. Dem AG sind durch das OLG (weitere) Kontrollaufgaben übertragen/aufgegeben worden: „Ob die Tätigkeit der für derartige Aufgaben herangezogenen Sachverständigen, deren Sachkunde und Verfahrensweisen im konkreten Fall den jeweiligen wissenschaftlichen und technischen Anforderungen genügt, und ob deren Feststellungen und Bewertungen als richtig erscheinen und im weiteren Verfahren verwertbar sind, unterliegt der eigenverantwortlichen Prüfung und Kontrolle des Gerichts ….“ und „Wird die Auswertung von Rohdaten eines Verkehrsüberwachungsvorgangs – wie vorliegend – einem privaten Dienstleister überlassen, wird sich das Gericht und zuvor die Verfolgungsbehörde deshalb im Zweifelsfall davon zu überzeugen haben, dass diese Tätigkeit dort von ausreichend dafür geschulten und regelmäßig hinsichtlich ihrer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung überwachten Mitarbeitern unter Einhaltung der dafür vorgeschriebenen Verfahrensweisen und mittels der im Zuge der Zulassung eines standardisierten Messverfahrens von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt genehmigten Software erfolgt.“ Damit hat der Verteidiger in solchen Fällen m.E. gar keine andere Wahl als durch Beweisanträge zu hinterfragen, ob diese Kontrollen erfolgt sind. Und wenn die Beweisanträge kommen, dann bin ich ja mal gespannt, wie die OLG reagieren, wenn die Amtsrichter die ablehnen und das in der Rechtsbeschwerde dann gerügt wird. Dann war im Zweifel die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Und damit schließt sich dann der Kreis.

Alles in allem: Unschön.

Sondermeldung: Gewaltenteilung in Hessen wohl aufgehoben, oder: Hinterzimmermauschelei im Bußgeldverfahren?

© MAST - Fotolia.com

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Ich war in der letzten Zeit wiederholt von Kollegen darauf angesprochen worden, dass man es in Hessen als Verteidiger erst gar nicht mehr zu versuchen brauche, an Messdaten, insbesondere an Rohmessdaten, zu kommen. Ich war dann immer ein wenig irritiert, weil es ja den AG Kassel, Beschl. v. 27.02.2015 – 381 OWi – 9673 Js 32833/14, zfs 2015, 354, gibt, der das m.E. anders sieht/regelt/löst.

Nun bin ich aber erneut irritiert, und zwar in anderer Richtung. Ein Kollege hat mir nämlich ein Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel übersandt, dass er auf seine Anforderung von Messdaten von dort erhalten hat. Darin heißt es:

„Sehr geehrter Herr

die mit Schreiben vom 05.10.2015 angeforderten Daten können nicht übersandt werden. Die Weitergabe von gan­zen Messdatensätzen (Messreihen) aus Geschwindigkeits- oder Abstandsmesssystemen -ohne konkreten Auftrag eines Gerichtes- ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht statthaft.

Sogenannte Messrohdaten gibt es bei einer Messung mit dem hier verwendeten Messgerät ESO ES 3.0 nicht.

Anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte am 23.04.2015 wurde auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert. Als grundsätzliche Verfahrensweise wurde u. a. festgelegt, dass dem Rechtsanwalt das Beweisfoto mit dem Schlüsselsymbol zu übersenden ist. Das Foto mit dem Schlüsselsymbol belegt nämlich zweifelsfrei die Integrität der Originaldaten. Eine Übersendung in digitaler Form ist nicht daher nicht erforderlich.

Das Foto mit dem Schlüsselsymbol habe ich heute bei der die Messung durchführenden Ordnungsbehörde ange­fordert und wird ihnen übersandt, wenn es mir vorliegt.

Die übersandte DVD gebe ich zu meiner Entlastung wieder zurück.“

Was soll man davon nun halten? Jedenfalls nicht viel. Denn der Inhalt des Schreibens steht m.E. im Widerspruch zu dem o.a. Beschluss des AG Kassel v. 27.02.2015.

Was mich aber viel mehr stört ist: „Anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte am 23.04.2015 wurde auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert. Als grundsätzliche Verfahrensweise wurde u. a. festgelegt….“. Das ist in meinen Augen die Aufgabe der Gewaltenteilung, wenn sich nämlich das Regierungspräsidium als Teil der Exekutive mit Vertretern der Judikative zusammensetzt und man (vorab) „festlegt“, was auf bestimmte Anforderungen eines Verteidigers zu geschehen hat. Da brauche ich dann in der Tat als Verteidiger erst gar nicht mehr anzufragen oder einen Antrag zu stellen:

Denn, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht stattgibt, ist das völlig „ungefährlich“ für einen ggf. gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung, weil man ja „mit Vertretern …… der hessi­schen Amtsgerichte“, schon „festgelegt“ hat, was der Verteidiger bekommt und – es gilt der Vertrauensschutz – die „Vertreter …… der hessi­schen Amtsgerichte“ sich sicher daran halten werden. Aber auch für die ist es „ungefährlich“, denn man hat sich ja auch schon „mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main …“ „unterhalten“/“festgelegt“. Das bedeutet für mich, dass man von dort aus signaliesiert hat, wie man mit diesen Fragen in der Rechtsbeschwerde umgehen wird. Wie gesagt „Vertrauensschutz“. Der Verteidiger kann also machen, was er will: Es ist bereits entschieden, beim AG und auch beim OLG. Diese „Hinterzimmermauschelei“ ist für mich die Aufhebung der Gewaltenteilung durch die (Verwaltungs)“Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessi­schen Amtsgerichte.“

Der Kollege hat gefragt, was man denn tun könne/solle: Na ja, ich denke mal, man fragt ggf. bei den (Richter)Kollegen mal nach, ob sie daran teilgenommen haben und wie sie es mit der Besprechung und ihrem Ergebnis denn so halten. Für mich lässt § 24 StPO grüßen.

Ach so: Mal sehen, ob sich die Rechtsprechung beim AG Kassel ändert.