Die (Regel)Entziehung der Fahrerlaubnis nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) setzt nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB u.a. einen bedeutenden Fremdschaden voraus. Dessen Höhe ist im StGB nicht bestimmt, muss also von der Rechtsprechung bestimmt werden. Und die tut sich damit schwer bzw. eine Entwicklung nach oben ist mühsam und schwerfällig. Inzwischen kann man allerdings davon ausgehen, dass es wohl h.M. der (Ober)Gerichte ist, dass diese Grenze bei 1.300 € zu ziehen ist. Das zeigen noch einmal zwei landgerichtliche Beschlüsse aus neuerer Zeit, nämlich der LG Hannover, Beschl. v. 3.09.2015 – 46 Qs 81/15 und der LG Schwerin, Beschl. v. 21.10.2015 – 32 Qs 56/15. Und bei der Ermittlung des Schadens spielen wirtschaftliche Kriterien eine Rolle. Der „bedeutende Schaden“ beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird, so noch einmal das LG Hannover.
M.E. müsste übrigens die Grenze für den „bedeutenden Schaden“ schon längst höher liegen. Es gibt zwar ein paar Entscheidungen dazu: So wird im LG Bezirk Lübeck die Grenze (schon) bei 1.500 € gezogen (LG Lübeck DV 2014, 130; s. auch LG Hamburg DAR 2008, 219 [Ls.] = VRR 2007, 403 [Ls.]), und beim LG Frankfurt am Main bei 1.400 € (StV 2009, 649 = VRR 2008, 430 = StRR 2008, 473). Das LG Landshut will die Grenze erst bei 2.500 € ziehen (StRR 2013, 116 = VRR 2013, 110 = DAR 2013, 588 = VA 2013, 69). Aber viel mehr hat sich da bisher nicht getan. Was m.E. aber gar nicht geht, ist eine amtsgerichtliche Entscheidung, die – wie die des dem LG Schwerin-Beschluss zugrunde liegende Entscheidung des AG Wismar – die Grenze immer noch bei knapp nur 1.000 € zieht. Willkommen im vorigen Jahrhundert? Nun ja, aber zumindest im vorigen Jahrzehnt.
Nunja, wenn ich 1.300 € Schaden hätte, dann wäre das ca. 50% des Werts meines (zugegeben alten) Pkws. Das fände ich schon bedeutend. Das muss man also immer in Relation sehen 😉
Was an der Wismarer Sache zusätzlich ärgert:
Die Verteidigung hatte bereits am o7.o7.2015 Akteneinsicht über das Polizeirevier beantragt. Diese blieb bis zum heutigen Tage (!) unerledigt. Es war wohl wichtiger, ohne rechtliches Gehör erst einmal einen 111a-Beschluss zu erlassen (wenn auch erst vier Monate nach der Tat).
In der Beschwerde war u.a. darauf hingewiesen worden, es reiche nicht aus, dass der Beschuldigte den hätte Schaden erkennen können und müssen, entscheidend sei der (hier schlicht wie immer nur formelhafte unterstellte) Vorsatz des Beschuldigten – was auch das Landgericht zumindest zwischen den Zeilen anspricht.
Es war auch (unter Hinweis auf die wohl h.N.) betont worden, dass der Schaden tatsächlich nur ca. 950.- € (brutto) betrug (so reguliert durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Beschuldigten). In diesem Zusammenhang wird auch wieder die Frage relevant, ob der Brutto- oder Nettoschaden zählt: Die Staatsanwaltschaft (und so auch das AG) gingen offensichtlich ungerührt von einem Schaden laut Kostenvoranschlag i.H.v. 1.098,95 € brutto aus. Netto sind das „nur“ 923,49 €, also sogar noch unterhalb 1.000.- €.
Die Größe, den eigenen Beschluss zu kassieren, hatte das AG nicht, so dass erst wieder das LG Ordnung schaffen musste.
Warum geht auch das LG von dem Bruttobetrag des Kostenvoranschlages aus wenn tatsächlich repariert wurde und offensichtlich eine Rechnung über einen geringeren(!!) Bruttobetrag vorliegt?? Verstehe ich nicht.
Und was ist eigentlich mit (hier nicht entstandenen) Kosten eines SV- Gutachtens zur Schadenshöhe? Würde dieser Betrag mit zum Fremdschaden zählen?
Zu den SV-Kosten: Ludovisy/Eggert/Burhoff, 6. Aufl., § 4 Rn. 519 m.w.N. aus der Rechtsprechung: Nein.
Dabei fällt mir ein: Professionelle Rechnungskürzer wie CarExpert etc. kann ich eigentlich gar nicht leiden – aber vielleicht könnte man derartige Firmen im Bereich der Strafverteidigung doch nutzbringend einsetzen. 😉