Augsburger Landrecht? oder: Von Berlin nach Augsburg ist es (zu) weit (?)

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ich gehe davon aus, dass mein gestriges Posting Der „kostenneutrale“ neue Pflichtverteidiger – so nicht Anlass für die gestrige Email-Nachricht eines Kollegen war, über die ich mich geärgert habe. Nun, nicht über die Nachricht, sondern über den gebührenrechtlichen Sachverhalt, den der Kollege mitteilt. Und zwar:

„Am 20.04.15 wurde ich vom AG Augsburg zum Pflichtverteidiger bestellt.

Am 09.07.15 wurde ich vom Gericht als Pflichtvert. ohne Angabe von Gründen entbunden und eine neue Pflichtvert. aus München (!) „unter Anrechnung der bisher entst. Pflichtvet.gebühren“ bestellt.

Meine Nachfrage bei Gericht ergab, dass der Wechsel „auf Wunsch des Angekl.“ erfolgte.

Der Angekl. hatte sich trotz schriftl. Aufforderung meinerseits nie bei mir gemeldet.

Am 16.07.15 erstellte ich meinen KFA, welcher neben der Grundgeb. auch die Verfahrensgeb. enthielt.

Am 30.07.15 bat die zust. Rechtspflegerin um Stellungnahme, da die Verf.geb. nicht angefallen sei. Dem schloss sich die neue Pflichtverteidigerin vehement an. Bereits im Vorfeld verwies diese darauf, dass mir keine Verf,geb. zustünde!

Am 03.08.15 gab ich meine Stellungnahme ab, mit Hinweisen auf Anm. 1 zu Nr.4100 VV RVG und Ihre Entscheidungssammlung.

Heute nun kam der Festsetzungsbeschluss, wiederum auch mit Stellungnahme der werten Kollegin: Die Verf.geb. wurde nicht festgesetzt.

Interessant dürfte nun die Argumentation der Rechtspflegerin für Sie sein.

Dort heißt es: „Auch ist es nicht der Fall, dass Grund- und Verf.geb. immer gleichzeitig anfallen. Nach den Änderungen durch das 2.KostMoG wurde klargestellt, dass die Grundgeb. immer neben der Verfgeb. ensteht. Dies bedeutet, wenn eine Verf.geb. erwachsen ist, ist auch immer die Grundgebühr angefallen. Dies gilt aber nicht anders herum, dass mit erwachsener Grundgeb. auch immer eine Verf.geb. anfällt. Hierfür ist eine weitere Tätigkeit, über die erste Einarbeitung hinaus, erforderlich.“

Sie können sich sicher vorstellen, dass mich diese Argumentation sehr verärgert.

Ich werde in jedem Fall Erinnerung einlegen.“

Ja, das kann ich verstehen, dass der Kollege verärgert ist. Ich bin es ja auch.

Geantwortet habe ich ihm u.a.: „… Augsburger Landrecht.“ Und ich habe mich gefragt, ob der Weg von Berlin, wo der Bundestag im Sommer 2013 (!!!) das 2. KostRMoG erlassen hat, nach Augsburg wirklich so weit ist, dass man die Gesetzesänderung zwar zur Kenntnis genommen hat – immerhin -, aber es offenbar dann doch anders machen will. Udn zwar dann jetzt (bewuss [?]) falsch. Denn es entstehen nach den Änderungen durch das 2. KostMoG jetzt Grundgebühr und Verfahrensgebühr immer nebeneinander. Die Grundgebühr ist quasi eine besondere Verfahrensgebühr, die die Einarbeitungstätigkeiten besonders honoriert. Das hat aber mit dem Entstehen der Verfahrensgebühr überhaupt nichts zu tun. Ggf. entsteht die nur als Mindestgebühr, aber sie entsteht. Beim Pflichtverteidiger ist das aber, da er Festbetragsgebühren erhält, ohne Bedeutung.

Das ist übrigens einhellige Meinung in der dazu vorliegenden Rechtsprechung. Die hier dann für die Frau Rechtspflegerin beim AG Augsburg zum Mitschreiben/Abschreiben – quasi als Fortbildung – noch einmal:

Nur das OLG Nürnberg hat es bisher – allerdings ohne Begründung – anders gesehen (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.11.2014 – 2 Ws 553/14, StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29 = StRR 2015, 118 = NStZ-RR 2015, 95 [Ls.]). Aber: Das hat seinen Sitz ja auch in Bayern. und nach dort ist von Berlin aus der Weg weit 🙂 .

2 Gedanken zu „Augsburger Landrecht? oder: Von Berlin nach Augsburg ist es (zu) weit (?)

  1. RA Sorge

    Ärgerlich ist an der Sache ja auch der Mehraufwand an Zeit und Arbeit, den der Kollege ja eigentlich nicht verursacht hat.
    Aber noch ein ganz wichtiger Hinweis: das OLG Nürnberg hat seinen Sitz in Franken. Liegt zwar im Freistaat Bayern, aber wer einen Franken als Bayer bezeichnet dem drohen empfindliche Übel…

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