Manchmal ist es interessant. Da ist wochen-/Monatelang Ruhe in einer bestimmten Frage und dann nimmt sie auf einmal wieder Drive auf“. So die Frage der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren. Innerhalb kurzer Zeit habe ich nämlich die zweite Entscheidung erhalten, die sich mit der Problematik beschäftigt (vgl. dazu schon den AG Weißenfels, Beschl. v. 03.09.2015 – 10 AR 1/15 – und dazu: Akteneinsicht a la AG Weißenfels: Herausgabe der unverschlüsselten Rohmessdaten, oder: Anders würde ich auch nicht entscheiden…..).
Na ja, „beschäftigt“ ist nicht der richtige Ausdruck, denn „beschäftigt“ hat sich das AG Kempten im AG Kempten, Beschl. v.10.09.2015 – 24 OWi 220 Js 15207/15 – mit der Frage – zumindest erkennbar – nicht. Für den Amtsrichter scheint es so selbstverständlich zu sein, dass der Verteidiger auch einen Anspruch auf die unverschlüsselten Rohmessdaten hat, dass ihm im Beschluss ein Satz zur Begründunggereicht hat:
„Beschluss
Die Bußgeldstelle des Bayrischen Polizeiverwaltungsamts wird angewiesen, im Rahmen der Akteneinsicht dem Verteidiger die komplette Messfilmreihe in unverschlüsselter Form, das digitale Messfoto und die Fotoliniendokumentation an die Kanzlei des Verteidigers zur Einsicht zu übersenden.
Gründe:
Nach § 147 StPO ist dem Verteidiger umfassend in alle Aktenbestandteile einschließlich Beweismittel Einsicht zu gewähren.“
Und das in Bayern 🙂 . Ist aber auch eindeutig…..
Man muss hier immer fein säuberlich unterscheiden:
„Messfilmreihe“ = alle Messdateien eines Einsatzes, betrifft neben dem Betroffenen auch andere Verkehrsteilnehmer, nicht separat verschlüsselt
„Messdatei“ = auf den Betroffenen bezogen, elektronisch signiert, gemäß PTB einziges unveränderliches Beweismittel, schwach verschlüsselt, enthält das Folgende:
„Messfoto“ = unsigniertes Digitalfoto, Abbild des Betroffenen und seines Fahrzeugs
„Rohmessdaten“ = Zahlenkolonnen, die das repräsentieren, was das Messgerät vom Fahrzeug „gesehen“ hat (Messsignale), stark verschlüsselt, Abbild des Messvorgangs, können unabhängig ausgewertet werden, wenn entschlüsselt
Der letzte Punkt ist der entscheidende: die Rohmessdaten müssen entschlüsselt (zur Verfügung gestellt) werden.
Kemp_t_en. Kempen ist nicht in Bayern. Quasi so garnicht.
Mathias Grün schrieb; „die Rohmessdaten müssen entschlüsselt (zur Verfügung gestellt) werden.“
Woher genau nehmen Sie dieses „müssen“? Ist das nicht bislang in mindestens 99 % der Fälle anders entschieden worden?
Es kommt immer auf den Antrag an, denke ich mir als juristischer Laie 😉
Was ich zum Ausdruck bringen wollte war: wenn man im OWi-Verfahren etwas beantragen kann, was eine tatsächliche technische Aussagekraft hat, dann sind es die Rohmessdaten. Wenn ich als Sachverständiger einen Gutachtenauftrag bekomme, der sich auf eine Messung mit einem Messgerät bezieht, das solche Rohmessdaten abspeichert, dann setze ich mich dem Vorwurf aus, ein unvollständiges Gutachten abgegeben zu haben, solange ich mir nicht im Rahmen einer eigenständigen Auswertung der Rohmessdaten mein technisches Urteil zur Messung gebildet habe. Ich denke, Juristen können das viel schöner in Paragraphen kleiden als ich das kann. Ich weise aber auf die Sachverständigenordnungen der IHKen der Länder hin.
Wenn die Rohmessdaten vorgerichtlich nicht ordentlich begründet beantragt werden, dann gebe ich Ihnen Recht.
Hm,
bin ich der einzige der auf das Ergebnis wartet was die höheren Gerichte daraus wieder machen? Ich sag nur standardisierte Messtechnik. Aberdas ist meine Laien Meinung.
Zeile 6 erstes Wort. Ich glaube es sollte Problematik heissen statt Problemati. 😉
Die hier zitierte Entscheidung dürfte eine „gerichtliche Entscheidung“ nach § 62 OWiG sein, die sich der unmittelbaren Prüfung durch die Obergerichte entzieht, weil es gegen sie kein Rechtsmittel gibt. Eine Überprüfung findet nur mittelbar im Rahmen der Rechtsbeschwerde statt, wobei die Anforderungen an die Begründung derart hoch liegen, dass es in den seltensten Fällen überhaupt zur Prüfung kommt, ob die Einsicht hätte gewärt werden müssen.
ich kaufe ein „t“ und ein „k“. Sorry – und Danke