Archiv für den Monat: April 2015

Drogenfahrt: Auf was darf eine Blutprobe eigentlich alles untersucht werden?

© Shawn Hempel - Fotolia.com

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In der OWi-Rechtsprechung zu § 24a Abs. 2 StVG wird heftig um die Frage der Fahrlässigkeit gestritten. Stichwort: Wie lange muss ein Drogenkomsum zurück liegen, damit die Fahrt mit einem Kraftfahrzeug nicht mehr fahrlässig i.S. des § 24a Abs. 2 StVG ist. Bzw. anders gefragt: Ab wann kann dem Betroffenen nach einem länger zurückliegenden Drogenkonsum ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht mehr gemacht werden. Da das

Um die Frage ging es auch im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.01.2015 – 2 (5) SsBs 720/14, in dem das OLG allerdings zunächst eine Vorfrage entschieden hat. Nämlich: Worauf darf eigentlich die dem betroffenen entnommene Blutprobe untersucht werden? Nur auf das berauschende Mittel oder auch auf dessen Abbauprodukte. Das OLG sagt: Auch auf die Abbauprodukte, denn:

„Die Entnahme einer Blutprobe war grundsätzlich zulässig (§ 81a Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Das Ziel der Maßnahme darf allein in der Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen bestehen (SK-StPO/Rogall, 4. Aufl., § 81a Rn. 10). Eine solche Verfahrenserheblichkeit ist bei allen Tatsachen gegeben, die wenigstens mittelbar zum Beweis der Straftat (bzw. Ordnungswidrigkeit), der Täterschaft oder der Schuld des Beschuldigten (bzw. Betroffenen) geeignet oder für die Bestimmung der Rechtsfolgen erheblich sind; Tatsachen dieser Art sind auch die Bestandteile des Blutes (LR-Krause, StPO, 26. Aufl., § 81a Rn. 16; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 81a Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 81a Rn. 6; SK-StPO, aaO, Rn. 11; MüKoStPO/Trück, 1. Aufl., § 81a Rn. 20; HK-StPO/Brauer, 5. Aufl., § 81a Rn. 5; Radtke/Hohmann/Beukelmann, StPO, 1. Aufl., § 81a Rn. 4).

Hiervon ausgehend ist beim Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht nur das „berauschende Mittel“ an sich (hier: Cannabis mit der Substanz Tetrahydrocannabinol; vgl. Anlage zu § 24a StVG) für die Einordnung von Bedeutung, sondern sind es auch die Abbauprodukte (Metaboliten) 11-Hydroxy-THC (bzw. OH-THC) und THC-Carbonsäure (bzw. THC-COOH). Aufgrund wissenschaftlicher Studien ist nämlich davon auszugehen, dass die festgestellten Werte der THC-Abbauprodukte Rückschlüsse nicht nur auf das allgemeine Konsumverhalten und den Umfang des konsumierten Cannabis, sondern insbesondere auch auf die seit Konsumende verstrichene Zeit ermöglichen (Möller/Kauert/Thönnes u.a., Blutalkohol 2006, 361; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., Vorbem. § 29 Rn. 254f; Eisenmenger NZV 2006, 24). Mithin haben diese Werte eine Bedeutung bereits dafür, ob eine vorsätzliche oder nur eine fahrlässige Begehungsweise in Betracht kommt. Dabei kommt es insoweit noch nicht auf die Frage an, ob überhaupt und ggf. unter welchen zeitlichen Verhältnissen eine auch nur fahrlässige Begehungsweise in Zweifel zu ziehen ist (vgl. nachfolgend unter 2. b)).“

Erfolg hatte die Rechtsbeschwerde dann aber aus anderen Gründen. Insoweit bitte selbst nachlesen. 🙂

Kein wirksames Rechtsmittel durch Email!!

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 16.02.2015 – 1 Ws 677/14 – behandelt an sich eine Wiedereinsetzungsfrage, auf die ich hier aber nicht näher eingehen will. Nur kurz: Der 1. Strafsenat will offenbar von der Auffassung in der Rechtsprechung abweichen, die davon ausgeht, dass demjenigen, der mangels wirksamer Zustellung tatsächlich keine Frist versäumt hat, aber gleichwohl so behandelt worden ist, in entsprechender Anwendung des § 44 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne weitere Sachprüfung zu gewähren ist. Das lassen wir hier und heute aber mal dahin stehen. Denn der 1. Strafsenat hat insoweit nur „Bedenken“ und hat seine Entscheidung tragend auf eine andere Frage gestützt, die für die Praxis mindestens genau so interessant ist. Nämlich die Frage, ob die Einlegung des Rechtsmittels – es handelte sich um eine sofortige Beschwerde gegen einen Widerrufsbeschluss – überhaupt wirksam war. Es war nämlich durch Email eingelegt. Der Senat verneint diese Frage:

„Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 StPO wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, mithin nach Kenntnisnahme des Verurteilten vom erfolgten Widerruf, anzubringen gewesen. Gleichzeitig wäre die versäumte Handlung, mithin die Einlegung der sofortigen Beschwerde nachzuholen gewesen. Dies ist vorliegend nicht in der gebotenen Form erfolgt.

Nach Angaben des Verurteilten ist ihm der erfolgte Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung am 10. Juni 2014 bekannt geworden; die Frist zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsgesuchs endete mithin am 17. Juni 2014.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann schriftlich oder zur Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Die hier zunächst erfolgte Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs – an diverse Empfänger – per E-Mail genügt dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nicht.

§ 41 a StPO ordnet an, dass an das Gericht gerichtete Erklärungen, die nach dem Gesetz schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, dann als elektronisches Dokument eingereicht werden können, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen und für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Anbringung einer einfachen E-Mail zur Wahrung der Schriftform nicht ausreichend ist.

Soweit – dem Inhalt der E-Mails gleichlautend – ein allerdings nicht unterzeichnetes Anschreiben des Verurteilten am 26. Juni 2014 beim Amtsgericht in Dortmund eingegangen ist, kann vorliegend dahinstehen, ob dem Schriftformerfordernis vorliegend auch ohne Unterzeichnung des Schriftstückes Genüge getan war. Das Schreiben ist nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs.1 S. 1 StPO und mithin erst verspätet eingegangen.“

Also Fazit, nach wie vor gilt: Finger weg von Email bei der Rechtsmitteleinlegung.

Motorradfahrer „siegt“ (?) mit 212 km/h, aber: Teures Missverständnis

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Ausgerechnet einen Videomesswagen der Autobahnpolizei hat sich ein 23-Jähriger Motorradfahrer als „Wettfahrtpartner“ auf der BAB A 24 ausgesucht. Der 23-jährige erreichte bei der Fahrt eine Geschwindigkeit von 212 km/h. Ob er damit gewonnen hat oder ob der Videomesswagen die Nase vorn hatte, wird in der Presse-Nachricht, die ich u.a. hier gefunden habe, nicht erwähnt.

Aber verloren hat der Motorradfahrer jedenfalls an ganz anderer Stelle. Erlaubt war auf der BAB nämlich nur eine Geschwindigkeit von 130 km/h. Die Fahrt wird also teuer: Nach Auskunft der Polizei „kostet“ die Wettfahrt drei Monate Fahrverbot und eine Geldbuße von 630 €.

Also: „Teures Missverständnis“ bzw. teure Wettfahrt und die Bestätigung des Satzes: Man soll sich seinen Partner immer gut aussuchen, egal wofür 🙂 . Allerdings: Wettfahrten im Straßenverkehr. Das geht gar nicht. Unabhängig von der Geschwindigkeitsüberschreitung: § 29 StVO lässt grüßen.

Der Hilfsschöffe, der zu Hause bleiben durfte, oder: Wer schreibt, der bleibt

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Schöffenpflicht ist Ehren-/Bürgerpflicht, mit der es das Gesetz und aber auch der darüber wachende BGH im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter doch sehr genau nimmt. Daher ist der BGH mit der Frage, ob der Schöffe von seiner Diensthandlung entbunden werden kann bzw. werden durfte (§ 54 GVG) doch recht streng. Zumindest will er die Gründe, die zu einer Entbindung von der Dienstleistung geführt haben, genau wissen, so der BGH im BGH, Beschl. v. 04.02.2015 – 2 StR 76/14, der (noch einmal darauf hinweist, dass es sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, ob einem Schöffen die Dienstleistung i.S. von § 54 Abs.1 Satz 2 GVG zugemutet werden kann. Deshalb rechtfertigen berufliche Gründe nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen. Zu berücksichtigen seien lediglich Berufsgeschäfte, die der Schöffe nicht oder nicht ohne erheblichen Schaden für sich oder den Betrieb aufschieben oder bei denen er sich nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach einen Vertreter nicht zulassen oder ein geeigneter Vertreter nicht zur Verfügung steht. Und das war im vom BGH entschiedenen Fall, in dem der Vorsitzende einen Hilfsschöffen entbunden hatte, zumindest nicht ausreichend dokumentiert:

Dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Hinderungsgrundes hier vorliegen, ist nicht dargetan. Der Entbindungsentscheidung des Vorsitzenden, die selbst keine nähere Begründung enthält, liegt ein Vermerk des Vorsitzenden zugrunde, der Schöffe habe ihm mitgeteilt, seine Firma sei durch Urlaube verschiedener Mitangestellter so ausgedünnt, dass er nicht entbehrlich und seine Vertretung nicht möglich sei. Diese Umstände rechtfertigen unter Berücksichtigung strenger Maßstäbe, die das Recht auf den gesetzlichen Richter ein-fordert, für sich eine Entbindung nicht. Die Angaben sind in ihrer Allgemeinheit wenig konkret; sie lassen nicht erkennen, um welche Firma es sich handelt, wie groß sie ist, welche Aufgaben der Schöffe regelmäßig wahrnimmt, wer ihn vertreten kann und welche Urlaubsabwesenheiten welcher „Mitangestellter“ es gibt, die eine an sich denkbare Vertretung des Hilfsschöffen ausschließen. Allein anhand dieser pauschalen Angaben konnte der Vorsitzende – ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob er diese für glaubhaft gehalten hat – nicht in die Lage versetzt sein, in der gebotenen Weise sorgfältig zu prüfen, ob die beruflichen Geschäfte des Schöffen seine Anwesenheit in der Firma an den Hauptverhandlungstagen erforderten, eine Vertretung in den von ihm wahrgenommenen Tätigkeiten tatsächlich nicht möglich war und ansonsten nicht hinnehmbar erheblicher Schaden für ihn bzw. seine Firma entstanden wäre. Soweit sich die Angaben des Hilfsschöffen auf die im Vermerk wiedergegebenen Umstände beschränkt haben sollten, hätte es deshalb im konkreten Fall das Recht auf den gesetzlichen Richter erfordert, insoweit bei diesem nachzufragen (vgl. Meyer- Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 54 GVG, Rn. 6; BGH, Beschluss vom 1. März 2012 – 2 StR 522/11) und eine Entscheidung unter Berücksichtigung weiterer ermittelter Umstände zu treffen. Sollte der Hilfsschöffe Hi. weitere Einzelheiten zu seiner beruflich bedingten Verhinderung mitgeteilt haben, die die Annahme eines Verhinderungsgrundes hätten stützen können, hat es der Vorsitzende versäumt, diese zur Überprüfung seiner Entscheidung zu dokumentieren.

b) Die Entbindung des Hilfsschöffen Hi. verliert in nicht mehr verständlicher Weise das Recht auf den gesetzlichen Richter aus dem Blick und ist deshalb unhaltbar. Der Vorsitzende begnügt sich womöglich mit Informationen, die ihm nicht die Prüfung ermöglichen, ob ausnahmsweise ein Fall gegeben ist, in dem berufliche Gründe die Unzumutbarkeit der geforderten Dienstleistung begründen können. Jedenfalls beschränkt sich die Dokumentation der die Annahme des Verhinderungsgrundes tragenden Umstände auf allgemeine und wenig konkrete Angaben, weshalb ohne Weiteres ersichtlich ist, dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der getroffenen Entscheidung nicht möglich ist. Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nicht gerecht, der nicht nur strenge materiell-rechtliche Maßstäbe bei der Anwendung des § 54 Abs. 1 GVG fordert, sondern auch Anforderungen an die Überzeugungsbildung des zur Entscheidung nach § 54 GVG berufenen Richters stellt.“

Tja: Wer schreibt, der bleibt. 🙂

Es war „nicht ansatzweise nachvollziehbar“, was das LG mit der Haftverschonung macht

© Alex White - Fotolia.com

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Manche Haftentscheidungen sind auch für mich nach nun doch einigen Jahren (Berufs)Erfahrung noch überraschend und ich denke dann nicht selten: Darauf muss man erst einmal kommen. So ist es mir mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.03.2015 – 1 Ws 51/15 – ergangen. Nicht wegen des OLG-Beschlusses, denn der ist richtig, sondern wegen der zugrunde liegenden Entscheidung des LG Baden-Baden. Das LG hatte einen eigenen Haftverschonungsbeschluss der Kammer, durch den dem Angeklagten u.a. aufgegeben worden war, sich nach Haftentlassung unmittelbar in eine Fachklinik zur Suchbehandlung zu begeben, nach Einlegung einer Haftbeschwerde aufgehoben  und das – so muss man den OLG-Beschluss verstehen – damit begründet, dass sich aus der Einlegung des Rechtsmittels ergebe, dass der Angeklagte nicht bereit sei, die Suchtbehandlung anzutreten.

Das macht das OLG – zutreffend – nicht mit, sondern schreibt dem LG ins Stammbuch:

„Mit dem angefochtenen Beschluss vom 25.02.2015 hat die 6. Kleine Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden ihren Haftverschonungsbeschluss vom 16.02.2015 auf die Haftbeschwerde des Verteidigers aufgehoben und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Diese Entscheidung war schon deshalb aufzuheben, weil die Begründung des Strafkammer, allein aus der Einlegung des Rechtsmittels ergebe sich die fehlende Bereitschaft des. Angeklagten zum Antritt der ihm auferlegten Aufnahme einer Suchtentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik ppp., nicht ansatzweise nachvollziehbar ist und auf ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems hindeutet. Es ist nämlich das verfassungsrechtlich verbürgte Recht eines jeden Angeklagten, auch bei einer erfolgten Außervollzugsetzung eines Haftbefehls die eigentliche Haftgrundlage durch Erhebung einer Haftbeschwerde in Frage zu stellen, weshalb die bloße Wahrnehmung dieses Rechts nicht zu seinem Nachteil gereichen darf. Tatsächliche Anhaltspunkte, auf welche sich die Annahme der fehlenden Bereitschaft des Angeklagten zur Aufnahme einer Suchtbehandlung in der Fachklinik ppp. gründen könnten und welche eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, sind jedoch in der angefochtener Entscheidung nicht dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich.“

Na, ist doch recht deutlich, oder: „nicht ansatzweise nachvollziehbar“ oder: „ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems „.