Der gestrige Blitzmarathon ist vorbei und es hat dann doch sicherlich wieder den ein oder anderen Kraftfahrzeugführer erwischt, obwohl der Marathon angekündigt war und zum Teil auch die „Blitzerstellen“ vorab öffentlich gemacht worden sind. Ich hatte ja unter Wie bereite ich mich auf den Blitzmarathon vor? auf unser „Messungen-Buch“ hingewiesen. Wenn das noch nicht Vorbereitung genug ist/war – kann ja in dem ein oder anderen Fall sein :-), hier noch ein kleines Schmankerl, das ich vor einiger Zeit aus dem „wilden Süden“ erhalten habe. Quasi zur Nachbereitung.
Wir wissen: Ein Messgerätehersteller legt Messdaten verschlüsselt ab. Wir kennen die Geschichte alle und kennen auch den Hersteller, der hier aber ungenannt bleiben soll. Im „wilden Süden“ erhalten die Gerichte – zumindest wohl an einem AG – die Daten nach entsprechend nachdrücklicher Bitte gegen Erstattung des bloßen Aufwand nach dem JVEG bzw. umsonst/kostenlos.
Das entsprechende Schreiben ist mir zugespielt worden und, da nicht alle „Verkehrssünder“ rechtschutzversichert sind, sicherlich auch eine Sache, die für deren Verteidiger interessant ist. Daher hier dann die Aufforderung/Bitte bzw. der Hinweis, mit der/dem Mitarbeiter des Herstellers als Zeugen geladen werden:
Die vom technischen Sachverständigen pp. im Schreiben vom pppp. benannten Daten (Abstandsbestimmung, insb. Helligkeitsprofile sowie die Helligkeitsprofile insgesamt wie vom Gerät aufgenommen als auch die graphische Darstellung der korrelierten Kurven) werden im Klartext gerichtlich angefordert, § 95 StPO.
Sie sollen als Zeugen nötigenfalls eine Messdatei entschlüsseln, welche mit einem von Ihnen vertriebenen Gerät erstellt wurde. Hilfsweise haben Sie den hierzu befähigten Mitarbeiter zu benennen. Zudem sollen Sie in der Hauptverhandlung zu den eingesetzten Verschlüsselungsverfahren und den Gründen hierfür vernommen werden.
Ihre Einvernahme als Zeugen erledigt sich, wenn dem gerichtlichen Sachverständigen oder dem Amtsgericht Reutlingen die zur Auswertung der Messdatei erforderlichen Daten (insb. „Key-Dateien“, Session Keys, Zugangscodes, Rohdaten u.ä.) rechtzeitig vor dem Termin unmittelbar im Klartext zur Verfügung gestellt werden, gerne auch per (verschlüsselter, ZIP) E-Mail oder auf Datenträger.
Eine Entschädigung für den anfallenden Aufwand und die Einvernahme als Zeugen erfolgt alleine nach den Vorschriften des JVEG.
Sollte nur eine andere Person (z.B. Unternehmensangestellter der Fa pp. zur Aufbereitung oder „Entschlüsselung“ in der Lage sein, wofür das offenbar von Ihnen gegenüber dem Sachverständigen gemachte „Angebot“ spricht, bitte ich diese Person binnen einer Woche mit einer ladungsfähiger Anschrift beim Gericht vorab namhaft zu machen. Auch in diesem Falle wird sich die Vernehmung erübrigen.
Die (teilweise) verschlüsselten (Mess-)Daten wurden von der Stadt pp. am pp. bei der Verkehrsüberwachung hoheitlich erhoben und sind in der Gesamtheit Beweismittel im Bußgeldverfahren hier. Der gerichtliche Sachverständige und der Bußgeldrichter benötigen in der Datei enthaltene Informationen und Daten als Anknüpfungstatsachen in unverschlüsselter („Klartext“) Form für eine eigenständige, sachverständige Begutachtung des Messvorganges mit einem Gerät ppp. aus ihrem Hause.
Da die vorhandenen Daten (teilweise noch) verschlüsselt in der Messdatei abgelegt oder gespeichert sind, müssen diese von Ihnen gesondert zugänglich gemacht werden. Es ist davon auszugehen, dass alleine der Hersteller mit vertretbarem Aufwand hierzu in der Lage ist. Von der Einschaltung eines forensischen IT-Sachverständigen soll aus Kostengründen zunächst abgesehen werden.
Bitte beachten Sie unbedingt: Zur Meldung weitergehender strafprozessualer Zwangsmaßnahmen nach den §§ 94, 95 Abs. 1, 70; 98 StPO i.V.m. § 46 OWiG, nötigenfalls einer Beschlagnahme vor Ort in ppp, wird in jedem Falle, unbesehen möglicher Entschädigungsfragen nach dem JVEG, um die zeitnahe Überlassung eines entschlüsselten Datensatzes oder der zu einer Entschlüsselung notwendigen Daten anheimgestellt (zu den Pflichten eines Zeugen: Meyer-Goßner, StPO, 57. Auflage, § 95, Rz. 3a).
Weitere Vorgaben des vom Gericht bestellten Sachverständigen sind unverzüglich umzusetzen. Die Telefonnummer entnehmen Sie bitte dem Anschreiben des Sachverständigen ppp.
Die Herausgabe von Quellcodes, Firmware und technischen Dokumentationen o.ä. ist derzeit nicht Gegenstand der gerichtlichen Anforderung. Soweit Betriebsgeheimnisse im weiteren Sinne belegbar betroffen sind, werden diese auf Antrag gemäß den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes geschützt.
Bitte beachten Sie freundlich, dass urheberrechtliche, wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Vorschriften (hierzu: AG Lüdinghausen, Beschluss vom 09.12.2012, Az:. 19 OWi 19/12) die Auswertung der beim verfahrensgegenständlichen Messvorgang erhobenen (Roh- )Daten durch das Gericht oder den Sachverständigen (hierzu umfangreich: Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 27.08.2014: 6 U 3/14) nicht berühren.
Eine „Zweite Ernte“ in Gestalt einer Aufwandsentschädigung von 450 EUR netto oder von „Lizenzgebühren“ o.ä., nach der bestimmungsgemäßen, amtlichen Erstellung einer Messdatei im Regelbetrieb einer von der Fa. pppp. vertriebene Messanlage, wird vom JVEG, der Strafprozessordnung und den Vorschriften des Urheberrechts nicht getragen, zumal technisch oder rechtlich nachvollziehbare Gründe für die dauerhafte Verschlüsselung von Messdaten beim behördlichen Endanwender nicht ersichtlich sind.
Soweit überhaupt Aufwendungen für die Bereitstellung der unverschlüsselten (Roh-)Daten, gemäß der gemachten Anforderungen des Sachverständigen (vgl. Anschreiben vom pppp. entstehen sollten, sind diese binnen 10 Tagen, mit einer Begründung, dem Gericht glaubhaft zu machen. Es wird freilich davon ausgegangen, dass hier lediglich die Herausgabe einer „Schlüsseldatei“ von wenige Byte Größe notwendig ist.
Auf § 7 Abs. II des Gesetzes über die „Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten“ darf allerdings hingewiesen werden:
„Für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz 2 genannten Kopien und Ausdrucke werden 1,50 Euro je Datei ersetzt. Für die in einem Arbeitsgang überlassenen oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente werden höchstens 5 Euro ersetzt.”
Im Übrigen gilt die Vorschrift des § 23 JVEG:
(2) Dritte, die aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 oder § 144 Abs. 1 der Zivilprozessordnung Urkunden, sonstige Unterlagen oder andere Gegenstände vorlegen oder deren Inaugenscheinnahme dulden, sowie Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde
- Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1, § 98a der Strafprozessordnung) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden oder
- in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Auskunft erteilen,
werden wie Zeugen entschädigt. Bedient sich der Dritte eines Arbeitnehmers oder einer anderen Person, werden ihm die Aufwendungen dafür (§ 7) im Rahmen des § 22 ersetzt; § 19 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“
Charmant der Hinweis auf die „zweite Ernte“ und: Der Hinweis auf die Beschlagnahme geht ein wenig in Richtung des OLG Celle, Beschl. v. 26.03.2013 – 322 SsBs 377/12. Da hatte das OLG Celle (vgl. dazu Akteneinsicht a la OLG Celle: Hammer; oder: Verwaltungsbehörden zieht euch warm an. Durchsuchung bei euch droht!!) Ausführungen zur ggf. möglichen Beschlagnahme der Bedienungsanleitung gemacht, wenn die Verwaltungsbehörde die nicht „herausrückt“. Hier droht man dem Hersteller. Auch keine schlechte Idee :-).
So das war dann aber Vor- und Nachbereitung genug.
Ach so: Danke in den „wilden Süden“ für das Schmankerl. Die Anstiftung war erfolgreich 🙂 .
Der war jetzt mal so richtig gut.
CHAPEAU!