Um die Voraussetzungen des Festnahmerechts aus § 127 Abs. 1 StPO und ein dem „Festgenommenen“ ggf. zustehendes Notwehrrecht (§ 32 StGB) ging es im OLG Celle, Urt. v. 26.11.2014 – 32 Ss 176/14. Der Angeklagte war vom Vorwurf der Körperverletzung frei gesprochen worden. Zu der war es in Zusammenhang mit einer Nacheile nach der Entwendung von zwei Fernsehbildschirmen aus einem Supermarkt gekommen. Der Angeklagte hatte sich in der Nähe der Eingangstür aufgehalten, man war davon ausgegangen, dass er an dem Diebstahl beteiligt war. Der Angeklagte hatte sich aber gegen seine Festnahme zur Wehr gesetzt und die ihn festhaltende Geschädigte geschlagen.
Das OLG hat den Freispruch durch die Strafkammer gehalten:
1.a) Es ist umstritten, ob das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO eine tatsächlich vom Festgehaltenen begangene Tat voraussetzt (so KG Berlin, VRS 45, 35; OLG Hamm NJW 1972, 1826; NJW 1977, 590, 591; Meyer-Goßner / Schmitt § 127 Rn. 4) oder ob es bereits ausreicht, dass die erkennbaren äußeren Umstände nach der Lebenserfahrung ohne vernünftigen Zweifel den Schluss auf eine rechtswidrige Tat zulassen (so BGH, 6. Zivilsenat, NJW 1981, 745 ff.; BayObLG MDR 1986, 956 f.; OLG Stuttgart Justiz 1990, 372; OLG Koblenz VR 2009, 32; OLG Zweibrücken NJW 1981, 2016; OLG Hamm, NStZ 1998, 370; KK-Schultheis, § 127 Rn. 9). Für die erstgenannte Auffassung sprechen der Wortlaut der Vorschrift und die rechtspolitische Überlegung, dass einem Unschuldigen das Notwehrrecht gegen freiheitsbeschränkende Angriffe von Privatpersonen zustehen muss.
Danach hätte der Angeklagte hier sein Notwehrrecht behalten und wäre deshalb wegen der Verletzungen der Zeugin B. gerechtfertigt.
1.b) Selbst wenn man jedoch mit der in der Rechtsprechung mittlerweile vorherrschenden zweiten Auffassung meint, schon ein dringender Tatverdacht reiche aus, um eine andere Person festhalten zu dürfen, wäre das Notwehrrecht des Angeklagten nicht entfallen, denn ein dringender Tatverdacht der Beihilfe zum Diebstahl lag gegen ihn nicht vor. Der Verdacht gegen ihn war allein durch einen Ausruf der Zeugin K. an der Kasse des Ladengeschäftes entstanden, die lediglich auf Grund des auffälligen Aufenthalts des Angeklagten im Eingangsbereich auf seine Beteiligung geschlossen hatte, ohne dass die Zeugin B. selbst Beobachtungen gemacht hatte, die den Angeklagten belasteten.
c) Damit kommt es im Ergebnis nicht darauf an, welcher Auslegung des Merkmals der „Tat“ i.S.d. § 127 Abs. 1 StPO man beipflichtet. Nach beiden Auffassungen bestand keine Berechtigung der Zeugin B., den Angeklagten festzuhalten.“
weil bei den Instanzgerichten „Notwehr“ sonst so gern mal einfach ausgeblendet wird oder aber absurde Anforderungen gestellt werden. Daher sind dann wohl Staatsanwälte überrascht, wenn einer sein Notwehrrecht ausübt und dies nicht zumindest mit 153a StPO endet………….
Allein die erste Auffassung ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich, da ansonsten die Unschuldsvermutung verletzt wird. Selbst bei „vermeintlichen“ angenommenem berechtigten Festnahmehandlungen, muß dem vermeintlichen Täter selbst ein Notwehrrecht in angemessenem und verhältnismäßigem Rahmen verbleiben. Allenfalls kann ein vermeintlich ausgeübtes Festnahmerecht, das etwa mit Körperverletzungen einhergeht, strafrechtlich gerechtfertigt sein, wenn es selbst angemessen und verhältnismäßig ist. Jeglicher „Notwehrexzeß“ eines vermeintlichen Täters, als auch von Privaten Sicherheitskräfte oder durch beide, kann jedoch nicht mehr strafblei bleiben, sobald es zu Körperverletzungen oder sonstigen Straftaten kommt; allenfalls nur noch abgemildert werden.
Zivilrechtlich haben die jeweiligen Opfer SE- ansprüche, die allenfalls um einen entsprechenden Mitverschuldensanteil zu ermäßigen sind.