Klassischer Fehler XIX: oder „Tretmine“/Dauerbrenner in der Hauptverhandlung

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Da ist mal wieder eine 🙁 . Eine Entscheidung aus der Abteilung: „Dauerbrenner des BGH zu § 247 StPO“. Es gibt zu der Problematik der Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung (§ 247 StPO) und des Umgehens/Verhaltens des Gerichts mit dieser Verfahrenssituation eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (!!!!) und unzählige „kleine“ Entscheidungen des BGH, die sich mit den Fragen befassen. Dennoch scheint das, was der BGH in diesen Entscheidungen ausgeführt hat, niemanden zu interessieren. Anders kann man sich kaum erklären, warum es immer wieder zu Fehlern kommt und der BGH immer wieder landgerichtliche Entscheidungen aufzuheben. Die Verfahrensrügen sind in diesem Bereich eine sichere Bank. So auch in dem dem BGH, Beschl. v. 23.09.2014 – 4 StR 302/14 – zugrunde liegenden Verfahren mit folgendem – im Grunde aus anderen Verfahren bekannten – Verfahrensgeschehen:

In der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte für die Dauer der Vernehmung seiner Tochter, der Nebenklägerin, durch Beschluss der Strafkammer gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungszimmer entfernt. Nach ihrer Aussage zur Sache blieb die Nebenklägerin auf Anordnung des Vorsitzenden unvereidigt und wurde entlassen, woraufhin sie den Sitzungssaal verließ. Nachdem der Angeklagte daraufhin den Sitzungssaal wieder betreten hatte, informierte ihn der Vorsitzende über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Nebenklägerin. Nach einer 15-minütigen Unterbrechung der Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger des Angeklagten, nach einer Besprechung mit diesem gebe es noch drei Ergänzungsfragen an die Nebenklägerin. Für diese ergänzende Vernehmung der Nebenklägerin wurde der Angeklagte erneut durch Gerichtsbeschluss gemäß § 247 StPO von der Teilnahme an der Vernehmung ausgeschlossen und verließ den Sitzungssaal. Nach Aussage der Nebenklägerin zur Sache blieb diese auf Anordnung des Vorsitzenden erneut unvereidigt und wurde entlassen. Daraufhin betrat der Angeklagte erneut den Sitzungssaal und wurde vom Vorsitzenden über die Angaben der Nebenklägerin informiert. Dagegen dann die Verfahrensrüge, die zulässig und begründet war. Der BGH arbeitet mit den leider bereits sattsam bekannten Ausfürhungen – wahrscheinlich gibt es dafür Textbausteine…

b) Die Rüge ist auch begründet. Der Beschwerdeführer war entgegen § 247 StPO auch von der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin als Zeugin nach deren zweiter Vernehmung ausgeschlossen. Dies begründet den Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO, denn die Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin war, auch wenn es sich um eine ergänzende Ver-nehmung handelte, ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung, die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder Satz 2 StPO entfernten Angeklagten also regelmäßig geeignet, den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zu begründen (BGH, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87, 92). Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vor-schriften bezwecken unter anderem, dem Angeklagten eine uneingeschränkte  Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung. Das wird ihm durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Verfahrensausgang beeinflussen können (BGH aaO). Gemessen daran kommt der ergänzenden Vernehmung einer Opferzeugin grundsätzlich erhebliche Bedeutung für das Verfahren zu, sodass der Angeklagte nach einer solchen ebenfalls stets die Möglichkeit haben muss, ergänzende Fragen oder Anträge zu stellen (BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, aaO, 533 mwN). Beim Vorwurf von Sexualstraftaten liegt es sogar nahe, dass Umstände zum Tatgeschehen selbst dann erörtert werden, wenn es nur deshalb zu einer erneuten Vernehmung der Opferzeugin kommt, weil Fragen zum Randgeschehen noch geklärt werden müssen. Kein Verfah-rensbeteiligter ist in einem solchen Fall rechtlich gehindert, bisher noch nicht gestellte, aber zur Sache gehörende und damit den gesamten Anklagevorwurf betreffende Fragen zu stellen. Dieser Möglichkeit zu ergänzenden Fragen kommt insbesondere dann besondere Bedeutung zu, wenn – wie im vorliegen-den Fall – der Angeklagte nach dem zutreffenden Vortrag der Revision bereits gemäß § 247 StPO von der Teilnahme an der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin nach ihrer ersten Zeugenvernehmung ausgeschlossen war. Die besondere Verfahrensbedeutung der zweiten Zeugenvernehmung liegt in solchen Fällen darin, dass mit dieser Vernehmung der Verfahrensfehler, dem Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung nach der ersten Zeugen-vernehmung der Nebenklägerin die Anwesenheit nicht zu gestatten, geheilt wurde (BGH, aaO, 533). „

Geholfen hat dem Urteil im Übrigen auch nicht der Versuch des GBA, die Verfahrensrüge als unzulässig anzusehen. Das „Spiel“ hat der BGH nicht mitgemacht. Im Übrigen habe ich so oder so den Eindruck, dass der GBA zulässige Verfahrensrügen nicht kennt.

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