Klassischer Fehler XVI: die Krux mit der Bewährung

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Zu Bewährungsfragen liest man in BGH-Entscheidungen nicht so häufig etwas. Meist geht es im Rahmen der Strafzumessung mehr um allgemeine Strafzumessungsfragen. Deshalb ist dann mal der BGH, Beschl. v. 10.07.2014 – 3 StR 232/14 – von Interesse, in dem der BGH ein Urteil des LG Schwerin insoweit aufgehoben hat, soweit die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist. Insoweit m.E. dann aber, da allgemeine – an sich allseits bekannte – Bewährungsfragen eine Rolle spielen, für eine Strafkammer ein klassischer Fehler. Das können z.T. Richter am AG besser.

Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung hat das LG abgelehnt, da eine Strafaussetzung „im Hinblick darauf, dass der Angeklagte H. die Tat während einer laufenden Bewährung – und dies nicht aus einer Notlage heraus – begangen hat, nicht in Betracht“ komme. Das reichte dem BGH nicht:

„Diese Begründung genügt den rechtlichen Anforderungen nicht. § 56 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 StGB ermöglicht es dem Gericht, bei Vorliegen einer günstigen Sozialprognose und besonderer, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten liegender Umstände auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen. Dabei sind die Voraussetzungen des Abs.1 stets vorrangig zu prüfen. Dies gilt schon des-halb, weil zu den nach Abs. 2 zu berücksichtigenden Faktoren nicht allein, aber auch solche gehören, die schon für die Prognose nach Abs. 1 von Belang sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. August 2012 – 3 StR 305/12, StV 2013, 85).
Vorliegend lässt sich den Urteilsgründen schon nicht entnehmen, ob das Landgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung mangels günstiger Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB oder aber wegen Fehlens besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB abgelehnt hat. Der Senat vermag des-halb nicht zu beurteilen, ob das Landgericht die geforderte Prüfungsreihenfolge eingehalten und unter Zugrundelegung des jeweils richtigen Maßstabes entschieden hat.

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch. Der Umstand, dass der Angeklagte die abgeurteilte Tat wenige Tage vor Ablauf der Bewährungszeit, die eine nicht einschlägige Straftat betraf, begangen hat, steht einer günstigen Sozialprognose nicht ohne Weiteres entgegen. Die Tatbegehung während des Laufs einer Bewährungszeit schließt die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 1 StR 339/04, NStZ-RR 2005, 38). Vielmehr ist bei der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der namentlich die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafaussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 36). Dem Urteil kann indes nicht entnommen werden, ob das Landgericht nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien eine günstige Sozialprognose verneint hat.“

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