Die Tagespresse bzw. im Netz wird berichtet darüber, dass G. Mollath nun doch Revision eingelegt hat (vgl. hier). Allerdings nicht durch seinen bisherigen Verteidiger G.Strate aus Hamburg, sondern durch den Münchner Kollegen Dr. Adam Ahmed. Also ein Anwaltswechsel im Hause Mollath. Mir ist dazu, als ich das eben gelesen habe, nur spontan eingefallen: Neue Besen kehren gut. Aber gleich auch mit dem Nachsatz: Wie gut, das wird sich zeigen Herr Mollath bzw. Herr Kollege.
Warum diese Einschränkung? Nun, alle die Revisionsrecht machen, wissen, dass ein Rechtsmittel für seine Zulässigkeit die Beschwer des Rechtsmittelführers voraussetzt. Und alle wissen auch – und es steht auch in jedem Kommentar und/oder Handbuch -, dass die Beschwer sich nur aus dem Entscheidungsausspruch, nicht aber aus den Gründen des Urteils ergeben kann. Deshalb kann – so jedenfalls die Rechtsprechung des BGH bislang – der durch die Gründe beschwerte Angeklagte das frei sprechende Urteil nicht anfechten, was auch in den Fällen der Schuldunfähigkeit gilt. Von daher kann man – ja muss man – (derzeit) erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Revision des G.Mollath haben.
Aber vielleicht ist der neue Verteidiger ja schlauer als wir alle bisher waren und noch sind?. Und vielleicht sieht er ja die Chance, den Freispruch doch zulässig anfechten zu können. Die Argumentation müsste/könnte dann dahin gehen: Ein Freispruch nur wegen des reformatio in peius mit der Feststellung, dass an sich Straftaten begangen worden sind – das war/ist das Urteil aus Regenburg -, ist eine Beschwer gegenüber einem Freispruch wegen Schuldunfähigkeit mit Unterbringung – das war das Urteil im Ausgangsverfahren 2006 vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Erscheint mir ein wenig weit her geholt, aber man weiß ja nie. Ich glaube aber, dass der 1. Strafsenat des BGH das letztlich nicht mitmacht, denn das würde alle Dämme/Schleusen für Revisionen gegen freisprechende Urteil öffnen.
Dann bleibt für mich nur noch die Frage: Warum dann die Revision? Ist das wirklich der Besen, der gut kehrt und der den Spruch: Ein Freispruch ist ein Freispruch, nun kippen will. Ist der neue Verteidiger derjenige, der hexen kann? Das Ganze lässt einen ein wenig ratlos zurück. Aber: Gespannt, was der BGH macht, wenn die Revision denn durchgeführt wird, bin ich dann doch.
Ich bin mir sicher, dass die Revision ein voller Erfolg für den Kollegen wird. In der Regel wird über die Mandatsübernahme eines „Starverteidigers“ noch ausführlich berichtet. Über einen OU-Beschluss dagegen gar nicht mehr. Insofern steht einem Erfolg doch nichts im Wege. 😉
Sie können sicher sei, dass ich es im Auge behalten werde. 🙂
Es war da mal einen Anwalt aus Berlin, der hat in seinem Blog den Kollegen Benedikt Hopmann vorab für „verrückt“ erklärt, als dieser in der Sache mit der Kassenbon-Emely in Revision ging. Das Ergebnis ist bekannt? Vielleicht geht ihre Meinung auch in die Hose ..
Die Aussage „Ein Freispruch nur wegen des reformatio in peius mit der Feststellung, dass an sich Straftaten begangen worden sind – das war/ist das Urteil aus Regenburg -“ trifft nicht zu; Herr Mollath ist vom Vorwurf der Körperverletzung vielmehr wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen worden, so dass § 373 II 1 StPO für das Urteil keine Rolle gespielt hat.
Herr Ahmed hat aber vermutlich BVerfGE 28, 151, 160 f. im Auge: „In aller Regel muß es bei dem Grundsatz bleiben, daß eine Beschwer sich nur aus dem Entscheidungstenor ergeben kann; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen auf Grund des festgestellten Sachverhalts eintreten. In einzelnen Ausführungen der Entscheidungsgründe kann aber dann eine Grundrechtsverletzung erblickt werden, wenn sie – für sich genommen – den Angeklagten so belasten, daß eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Bereiches festzustellen ist, die durch den Freispruch nicht aufgehoben wird.“
@derRösrather – wen habe ich denn für „verrückt“ erklärt? Dass der BGH anders entscheidet habe ich nicht ausgeschlossen.
Im Grunde muss Mollath sich von der Kammer doch verarscht fühlen. Dort liest man die Wiederaufnahmegründe insbesondere zu den Angaben der Zeugin und zur Eigenschaft der Urkunde, holt gutachterliche Stellungnahmen ein, verhandelt langwierig, nur um dann am Ende sinngemäß zu sagen: „Wir können es dem M. zwar nicht beweisen, aber wir gehen einfach mal davon aus, dass er gewalttätig war. Sein Schweigen legen wir zu seinen Lasten aus und überhaupt hätte er sich ja sonst anders geäußert. Da er aber vielleicht plemmplemm war, ist hier Schluss mit Wahrheitsfindung.“
Ein Revisionsantrag ist die zwingende Folge, und für die Begründung lassen sich trifftige Argumente (wie vorgenannt MDR 1970, 822) ins Feld führen.
Ich wünsche Mollath eine engagierte Verteidigung, die sich nicht beirren lässt, auch wenn die Medien längst schon wieder leise von „Justizopfer“ auf „querolatorischer Prozesshansel“ umgeschaltet haben.
@RA Burhoff
Ich hatte Sie nicht mit ihrem Kollegen vergleichen wollen, jedoch lese ich ihren Post so: Er hätte es sein lassen sollen, denn es bringt eh´ nichts!
Und wie leicht man sich irren kann, sollte das Beispiel mit Emely zeigen.
In meinen Augen bringt es auch nichts – wahrscheinlich; aber ich bin ja schon kompetent belehrt worden. Warten wir es ab.
Hier wird wohl eine Urteilsverfassungsbeschwerde erhoben werden, die Revision dient also „nur“ der Rechtswegerschöpfung.
warten wir es einfach ab.
Zum einen war in der mündl. Urteilsbegründung mit keinem Wort von Verschlechterungsverbot die Rede, vielmehr von nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit. Zum anderen gebietet das Verschlechterungsverbot keinesfalls einen Freispruch nach einem Freispruch. Vielmehr ist nur ein Strafausspruch verboten.
Henning Radtke, also zumindest einer beim 1. Strafsenat, sieht in der Tenorbeschwer nur einen Grundsatz, nicht mehr. Er dürfte sicherlich nicht der einzige sein. Schließlich spricht man auch von dem „Grundsatz der Tenorbeschwer“. Entscheidend sei für ihn die Frage, ob die in „den Entscheidungsgründen enthaltenen nachteiligen Wirkungen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens beseitigt werden“ könnten. Das ließe „sich jedoch nicht aus den Anforderungen an die Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung und schon gar nicht aus dem Grundsatz der Tenorbeschwer heraus beantworten. Vielmehr ist dies eine Frage nach einem (möglicherweise) im Strafverfahren einzulösenden Rehabilitationsanspruch des Beschuldigten oder Angeklagten.“ (siehe seinen Beitrag in FS für Roxin zum 80., S.1428)
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