„Kein Kuscheln mit dem Gegenverkehr“?, nun juristisch sauberer wäre der Titel: „Auch auf nicht so breiten Straßen Rechtsfahrgebot beachten“ gewesen; der ist aber (zu) lang 🙂 . Jedenfalls ist das das Fazit aus dem OLG München, Urt. v. 11.04.2014 – 10 U 4173/13 –, das sagt: Auch wenn die Straße breit genug ist oder erscheint, muss möglichst weit rechts gefahren werden. Und wer gegen das Rechtsfahrgebot verstößt, trägt bei einem Unfall mit Streifschaden eine Mitschuld, und zwar selbst dann, wenn das andere entgegenkommende Fahrzeug in den Gegenverkehr hinragte. Aus dem Beschluss:
„Die von den Unfallbeteiligten in jeweiliger Gegenrichtung genutzte Kreisstraße PAN … misst bis zur weißen Linie eine Breite von 4,65 m. Eine Mittellinie ist nicht eingezeichnet. Wie der Sachverständige Dipl.-Ing. Christoph M. in seinem Gutachten vom 29.04.2013 (Bl. 47/71 d. A.) – von den Parteien nicht angegriffen – herausgearbeitet hat, befand sich der beklagtische Pkw im Moment der Kollision vollständig innerhalb seiner Fahrspur. Der klägerische Pkw befand sich demgegenüber mit dem Fahrzeugheck 25 bis 30 cm in der Gegenfahrspur. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der Zeuge V., aber auch der Zeuge H., Beifahrer im klägerischen Fahrzeug, übereinstimmend angegeben haben, dass der Zeuge V. vor der Kollision noch nach rechts ausgewichen ist. Damit muss sich der klägerische Pkw unmittelbar vor der Kollision noch weiter innerhalb der Gegenfahrspur befunden haben, wobei nicht exakt festgestellt werden konnte, wie viel Zentimeter genau die Überschreitung der Fahrbahnmitte betragen hat…..
b) Ohne Zweifel sind bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden aber die einander entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 StVO zum Fahren auf „halbe Sicht“ verpflichtet (vgl. BGH NJW 1996, 3003, 3004; OLG Schleswig NZV 1991, 431, 432).
Die Landstraße hat im Unfallbereich im Schnitt eine Breite von 4,65 m, die einen Begegnungsverkehr unter Kfz von normaler Breite, d. h. regelmäßig bis zu 2,50 m (§§ 22 Abs. 2 Satz 1 StVO; 32 Abs. 1 Nr. 1 a StVZO), nur unter ganz besonderen Umständen noch erlaubt, wenn nämlich die Fahrzeuge unter Einhaltung des noch möglichen Sicherheitsabstandes zur Fahrbahnmitte auf ihrer Fahrbahnhälfte mit sehr niedriger Geschwindigkeit und stets bremsbereit fahren. Der Beklagte zu 1) musste demnach davon ausgehen, dass ihm Fahrzeuge, besonders solche unter 2 m Breite, entgegenkommen konnten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO gilt das nämlich schon dann, wenn entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten. Auch wer mit seinem schmaleren Gefährt selbst die Fahrbahnhälfte nicht überschreitet, muss deshalb auf „halbe Sicht“ fahren, wenn für den Gegenverkehr unter Berücksichtigung von Sicherheitsabständen zwischen den Fahrzeugen und zum Fahrbahnrand kein ausreichender Raum verbleibt (vgl. Mayr, in: Kraftverkehrsrecht von A-Z, „Geschwindigkeit“, Anm. II 2 b S. 10). Mit dem Entgegenkommen jedenfalls bis zu 2,50 m breiter Fahrzeuge musste der Beklagte zu 1) jederzeit rechnen. Da die halbe Fahrbahnbreite im Unfallbereich nur 2,32 m betrug (unter voller Einbeziehung der Asphaltierung der Straße), musste er desweiteren stets damit rechnen, dass ihm Pkw entgegenkommen, die höchstens in einem Abstand von 0,15 m zur gedachten Mittellinie fuhren. Sein eigenes Gefährt hatte eine Breite von 1,74 m. Das bedeutet, dass bei Begegnungsverkehr mit breiten Fahrzeugen (2,50 m) ein hinreichender Sicherheitsabstand zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen allenfalls dann noch gewährleistet war, wenn beide Fahrzeuge jeweils auf der äußersten rechten asphaltierten Fahrbahnkante gesteuert wurden. Dann war aber, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, bei einer eigenen Geschwindigkeit von 81 km/h eine gefahrlose Begegnung nicht mehr sichergestellt.
Da der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, der Zeuge V., unstreitig unmittelbar vor der Kollision sein Fahrzeug noch nach rechts gelenkt hat, aber nicht geklärt werden konnte, wie viel weiter er ursprünglich rechts gefahren ist, war für den Beklagten in der unmittelbaren Annäherungsphase nicht erkennbar, dass er durch ein Fahren noch weiter rechts den Unfall hätte vermeiden können. Durch das Sachverständigengutachten konnte jedoch geklärt werden, dass er bei einem Fahren auf „halbe Sicht“ mit maximal 58 km/h rechtzeitig hätte anhalten können.
c) Der Senat hält damit im Hinblick auf die wechselseitigen Verursachungsbeiträge eine Haftungsverteilung von 70 zu Lasten des Klägers und 30 zu Lasten der Beklagtenpartei für sachgerecht.“