Es gibt Vorschriften in der StPO, die führen quasi ein Schattendasein = man/die Rechtsprechung hat wenig mit ihnen zu tun. Dazu gehört m.E. § 99 StPO, in dem die sog. Postbeschlagnahme geregelt ist. Die Vorschrift taucht nur selten in der Rechtsprechung. Nun ist sie aber (mal wieder) aufgetaucht, allerdings in einem schon etwas älteren Beschluss der BGH, der aber erst jetzt – warum? – auf der Homepage des BGH eingestellt worden ist, nämlich der BGH, Beschl. v. 11.07.2012 – 3 BGs 211/12. Aber dennoch, eben wegen der Seltenheit, ein Hinweis auf diese Entscheidung-
Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung, des Mordes und anderer Straftaten gemäß §§ 129a, 211 StGB. In dem wird u.a. von der für eine Wohnung, in der die/der Beschuldigte gelebt haben soll, zuständigen Postzustellerin Auskunft über die näheren Umstände des Postverkehrs des/der Beschuldigten verlangt. Die Postzustellerin will die Auskunft auch wohl geben, macht die jedoch von einer eine Aussagegenehmigung ihrer Arbeitgeberin abhängig. Die wiederum will diese nicht ohne eine richterliche Anordnung gemäß §§ 99, 100 StPO erteilen.Der BGH hat die richterliche Anordnung erlassen:
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Postbeschlagnahme gemäß §§ 99, 100 StPO liegen vor.
…
2. Es ist anerkannt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Postbeschlagnahme gemäß § 99 StPO statt dieser die – mit einem geringeren Eingriff in das Brief- und Postgeheimnis verbundene – Auskunft über die Postsendungen verlangt werden kann, die an den Beschuldigten gerichtet sind oder von ihm herrühren oder bei denen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sie von ihm herrühren oder für ihn bestimmt sind (vgl. BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom 31. August 2011 – 2 BGs 458/11, unter II B; LG Hamburg, StV 2009, 404; Nack in KK-StPO, 6. Aufl., § 99 Rn. 11; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, StPO, 25. Aufl., § 99 Rn. 29; ebenso Nr. 84 Satz 1 RiStBV).Die Auskunft kann sich in entsprechender Anwendung des § 99 StPO auch auf solche Sendungen beziehen, die sich nicht mehr im Gewahrsam des Postunternehmens befinden (BGH [Ermittlungsrichter], Beschluss vom 31. August 2011 – 2 BGs 458/11, aaO; Nack in KK-StPO, aaO; BeckOK-StPO/Graf, Stand 1. Juni 2012, § 99 Rn. 16; ebenso Nr. 84 Satz 2 RiStBV; a.A. LG Hamburg, aaO S. 404 f.; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 99 Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Schäfer, aaO Rn. 30).
V. Angesichts der Schwere des Vorwurfs und des Verdachtsgrades ist die angeordnete Maßnahme auch verhältnismäßig, zumal nicht der konkrete Inhalt von Postsendungen, sondern lediglich ihre äußeren Umstände Gegenstand der Anordnung sind. Die Maßnahme ist zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts erforderlich. Angesichts der besonders intensiven Abschottung d. B. und der weiteren Mitglieder gegenüber der Außenwelt sind Erkenntnisse über die Art und den Umfang der dennoch erfolgten Kommunikation von hoher Bedeutung, um näheren Aufschluss sowohl über das Verhalten d. B. und der übrigen Mitglieder als auch über das Verhalten und die Kommunikationswege der bereits bekannten und möglicher weiterer Unterstützer der Gruppe zu gewinnen.“