Wer kennt sie nicht, die bunten Reiseprospekte mit mehr oder weniger aussagekräftigen Beschreibungen der angebotenen Reiseleistungen. Und man frgat sich immer/häufig auch: Wie gehe ich eigentlich strafrechtlich mit dem Umstand um, dass ggf. bestimmte Leistungen nicht oder nicht vollständig erfüllt werden können, mir das aber keiner vom Reiseunternehmen sagt. Zivilrechtlich mag das einfach(er)s ein, strafrechtllich stellt sich die Frage: Betrug (§ 263 StGB), ja oder nein?
Die Frage hat sich auch ein „Reisender“ gestellt, der eine Nilkreuzfahrt machen wollte. Er hatte die Reise im Prospekt der „T. GmbH“ gefunden. Dort war sie für April bis November 2012 sowie November 2012 bis Oktober 2013 unter der Bezeichnung „Horus“?Oberägyptische Impressionen eine Nilkreuzfahrt auf dem Kreuzfahrtschiff „MS R.“ beworben, obwohl dieses Schiff bereits seit Frühjahr 2012 nicht mehr in Betrieb war. Der „Reisende“ hatte darin einen Betrug des Vorstandsvorsitzenden der T. GmbH und seiner Mitarbeiter gesehen, da diesen dieser Umstand bekannt gewesen sei. Er hat deshalb gegen diese Strafanzeige erstattet. Die hat er außerdem noch darauf gestützt, dass ihm nicht unaufgefordert mitgeteilt worden, dass der geplante Rückflug nach Hannover nicht stattfinden konnte, sondern stattdessen der Flug nur bis Frankfurt erfolge. Außerdem sei ihm auch nicht mitgeteilt worden, dass der geplante Inlandsflug von Luxor nach Sharm?el?Sheikh nicht wie vereinbart und mehrfach vom Reisenden nachgefragt auf direktem Weg, sondern in Form eines Umwegs über Kairo, verbunden mit einem mehrstündigen dortigen Aufenthalt, stattfinden würde, Dadurch habe man verhindert, dass der Antragsteller von der Durchführung der Reise durch Ausübung des ihm zustehenden Rücktrittsrechts Abstand nehme.
Die Staatsanwaltschaft hatte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt, weil ein Anfangsverdacht nicht ersichtlich sei. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung – Klageerzwingungsantrag (§ 172 StPO), der – man glaubt es nicht – zum Teil Erfolg hat. Das OLG Celle, Beschl. v. 21.01.2014 – 1 Ws 513/13 – bestätigt nämlich teilweise den Betrugsvorwurf.
- Das OLG verneint allerdings den Betrugsvorwurf für den Vortrag, der Antragsteller sei durch Vortäuschung falscher Tatsachen im Hinblick auf die Durchführung der gebuchten Nilkreuzfahrt zu dem Abschluss des Vertrages veranlasst worden. Insoweit verneint das OLG einen Schaden. Wer durch Täuschung zum Abschluss eines Vertrages veranlasst werde, erleide nicht schon dann einen Schaden, wenn er ohne die Täuschung die Verbindlichkeit nicht begründet hätte, sondern nur dann, wenn die ihm gewährte oder zu gewährende Gegenleistung nicht den objektiv vorausgesetzten Wert hat. Insoweit hätte dargelegt werden müssen, welche Vor? und Nachteile die Nilkreuzfahrt auf dem größeren Schiff im Vergleich zu der geplanten Nilkreuzfahrt auf der „MS R.“ mit sich gebracht hätte. Hierzu wäre eine nähere Beschreibung beider Schiffe insbesondere zu den dortigen Unterbringungs?, Freizeitgestaltungs? und Verpflegungsmöglichkeiten, die den Wert der Reiseleistung maßgeblich beeinflussen, erforderlich gewesen.
- Anders sieht das OLG das jedoch im Hinblick auf die Abweichungen der Flugverbindungen. Dass ein Flug von Ägypten nach Frankfurt mit anschließender Weiterreise im Pkw zum ursprünglichen Zielort Hannover wirtschaftlich geringwertiger sei als ein Flug bis zum vereinbarten Zielflughafen, liegt für das OLG auf der Hand. Indem aber von Seiten der Beschäftigten der T. GmbH die Veränderung der Flugmodalitäten erst auf Intervention des Reisenden mitgeteilt worden sei, spreche auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Änderungen hinsichtlich der Flugmodalitäten des Inlandsfluges bis zum Beginn der Reise trotz bestehender Möglichkeit hierzu nicht mitgeteilt worden seien, der Anfangsverdacht, dass der Reisende durch die fehlende Aufklärung dazu veranlasst werden sollte, nicht von der Reise Abstand zu nehmen. Dies könnte nach Auffassung des OLG eine Täuschung durch Unterlassen darstellen, die zwar mangels eingetretenen Schadens nicht zu einem vollendeten, wohl aber einem versuchten Betrug nach §§ 263, 22, 23 StGB geführt haben könnte.
- Entsprechendes gilt nach Auffassung des OLG auch für die bis zum Reiseantritt unterbliebene Aufklärung darüber, dass der gebuchte Inlandsflug über Kairo, verbunden mit einem mehrstündigen Aufenthalt am dortigen Flughafen, erfolgen werde.
Mal was anderes aus dem Bereich des § 263 StGB. Und sicherlich auch etwas, was in Reiseunternehmen mit Interesse gelesen werden wird. Denn danach sollte man sich dann doch vielleicht überlegen, ob es in solchen Fällen nicht besser ist, den „Mund auf zu machen“.
Konsequent!
Angesichts dessen, dass das OLG Celle vor nicht allzu langer Zeit beim Spendenbetrug wegen hohen Verwaltungskostenanteils eher restriktiv entschieden hat, ist das – ohne die Details zu kennen – schon recht mutig.
Verständlich wäre der Ansatz des OLG, wenn mehr oder weniger von Beginn an Reiseleistungen „geschönt“ bzw. mit
nachweislich falschen Angaben dargestellt werden. Eine betrugsrelevante Aufklärungspflicht NACH Vertragsschluss bei jeder Reiseplanänderung/Flugumbuchung dürfte nicht nur Reiseveranstaltern, sondern auch z.B. Bauunternehmen zu schaffen machen.
Oder muss z.B. künftig auch jeder Rechtsanwalt einen Mandanten in einem Dauermandat darauf hinweisen: wenn ich Ihnen diese Frage auch noch beantworten soll, dann kostet das extra? Wenn der Mandant geltend macht: hätte mir der Anwalt das gesagt, dann hätte ich von meinem Kündigungsrecht nach 627 BGB Gebrauch gemacht, durch den fehlenden Hinweis habe ich von der Kündigung abgesehen und bin jetzt mit einer Gebührenforderung belastet….
Führt ein Verstoß gegen § 650 Abs. 2 BGB künftig auch zu versuchtem Betrug?