M.E. hat der Bayerische VGH im VGH Bayern, Beschl. v. 30.07.2013, 22 C 13.497 – betreffend die Streitwertfestsetzung in „Bagatellsachen“ freie richterliche Rechtschöpfung betrieben, als er den Gegenstandswert in seinem Verfahren symbolisch auf 1 € festgesetzt hat. Begründung:
Vorliegend blieb zwar bis zur endgültigen Streitwertfestsetzung unklar, welches Rechtsschutzziel der Kläger überhaupt verfolgte; erst recht bestanden keine genügenden Anhaltspunkte für die Beurteilung der Bedeutung der Sache für den Kläger. Erkennbar war allerdings die ganz geringfügige Bedeutung des Rechtsstreits, auch vom Standpunkt des Klägers aus betrachtet. …….
Erkennbar war vorliegend indes (auch schon im verwaltungsgerichtlichen Verfahren), dass der vom Kläger anhängig gemachte Rechtsstreit eine „Bagatelle“ betraf – eine Sache, um die zu prozessieren sich eigentlich „nicht lohnt“. Der Kläger hatte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und hat bis heute nichts vorgetragen, was (außer der Tatsache der Klageerhebung) zumindest aus der Sichtweise des Klägers gegen diesen Bagatellcharakter sprechen könnte. Man könnte zwar an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs denken (B.v. 27.10.2005 – VII E 8/05 – BFH/NV 2006, 344), der daraus, dass der Kostenschuldner wegen seines Anliegens (Verpflichtung des Finanzamts, zwei seiner Bediensteten künftig nicht mehr mit den Steuerangelegenheiten des Klägers zu befassen) eine Klage vor dem Finanzgericht und anschließend ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof angestrengt hatte, auf ein nicht unerhebliches Interesse an einem Ausschluss der Bediensteten geschlossen hat. Das Begehren, bestimmte Amtsträger von der Bearbeitung eigener Angelegenheiten auszuschließen – vergleichbar dem Begehren, einen Bezirksschornsteinfegermeister nicht mehr bei Kehr- und Überprüfungsarbeiten zu akzeptieren –, hat aber wesentlich mehr Bedeutungsgehalt als das Begehren, nicht selbst mit einem Amtsträger einen Termin vereinbaren zu müssen. Für derartige „Bagatellen“ ist somit der Auffangwert von 5.000 Euro nicht gerechtfertigt; vielmehr ist die Bedeutung der Sache in einem Streitwertbereich anzusiedeln, bei dessen Ansatz nur die Mindestgebühr nach Anlage 2 zu § 34 GKG ausgelöst würde. Man könnte zwar danach den Streitwert auf 300 Euro festsetzen, doch wäre dies ein willkürlich gegriffener Wert. Daher ist ein symbolischer Streitwert von 1 Euro sachgerecht. Dass auch in Bagatellsachen nicht „kostenlos“ prozessiert werden kann, wird durch die genannte Mindestgebühr von (derzeit) 25 Euro (§ 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anlage 2 zu § 34 GKG) sichergestellt.
M.E. nicht richtig, denn: In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 € anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Der Wortlaut – „ist“ zeigt m.E. deutlich, dass für richterliche Rechtschöpfung kein Raum ist. Der Streitwert beträgt dann 5.000 €. Ist dann eben so, auch wenn es dem Senat nicht gefällt.
Eine Missbrauchsgebühr gibt es halt leider nur beim BVerfG… 🙁 😉
Ein seit vielen Jahren pensionierter Amtsrichterkollege hat einmal einen Streitwertbeschluss erlassen, mit dem er den Streitwert auf 99 Pfennig festgesetzt hat. Die – hier vollständig wiedergegebenen – Gründe lauteten:
„Dieser Rechtsstreit ist keine müde Mark wert.“
Die Entscheidung des BayVGH trifft im Ergebnis das Richtige, da es dem Rechtsstaatsprinzip widersprechen würde, den rechtsschutzsuchenden Bürger mit Hilfe des Kostenrechts für objektiv sinnlose Klagebegehren zu „bestrafen“ (indem für die Berechnung der Kosten ein offensichtlich unangemessener Streitwert berechnet werden). Die Begründung ist aber insofern zu kritisieren, als sich der Fall jedenfalls bei verfassungskonformer Handhabung ohne weiteres unter § 52 I GKG subsumieren lässt; es geht also gerade nicht um eine korrigierende Anwendung der Auffangnorm des § 52 II GKG.
Falsch ist dagegen die Wahl des Akzents in der Blogüberschrift: Das Französische kennt den accent aigu (´) nur auf dem „e“; hier muss es also ein accent grave (`) sein (bitte, das soll kein Vorwurf sein – sowas muss man als deutscher Rechtsanwalt natürlich nicht wissen).
„Bestrafen“? Das kann man auch anders sehen: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Und zur Überschrift: Zum Glück gibt es ja so eifrige Leser wie Sie, die das merken und es sich natürlich nicht verkneifen können, einem „deutschen Rechtsanwalt“ das auch mitzuteilen.