„Ich bin nur ein armer Klempnergesell…“ –> keine Fahrerlaubnisentziehung

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Das Urteil des LG Essen vom 28.06.2013 (vgl. LG Essen. Urt. v. 28.06.2013 – 31 Ns 81/13) zeigt, dass es sich manchmal auch in auf den ersten Blick „glasklaren Sachen“ doch lohnen kann, in die Berufung zu gehen. Das AG hatte den Angeklagten im AG Essen, Urt. v. 28.03.2013 – 39 Cs-43 Js 2478/12 53/13) wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist für die Wiedererteilung von 12 Monaten entzogen worden. Das AG hat den Antrag des Angeklagten, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

„Auch der Umstand, dass dem Angeklagten vermeintlich ein Jobverlust droht, konnte hier nicht zu einer Verkürzung der Sperre führen. Der Angeklagte verzichtet schon seit dem 25.11.2012 auf die Fahrerlaubnis. Auch in dieser Zeit ist es gelungen, den Umstand, dass der Angeklagte nicht fahrtberechtigt ist, zu überbrücken. Der Zeuge pp. hat sich dahingehend eingelassen, dass zur damaligen Zeit ein Lehrling die Fahrten übernommen habe. Im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten scheint es durchaus zumutbar, im Einzelfall einen Fahrer zu beschäftigen. Ggf. kann dies auch über den Betrieb insgesamt organisiert werden, sofern sich nicht ohnehin ein weiterer Lehrling findet. Nach alledem stellt eine 12-monatige Sperre zur Überzeugung des Gerichts keine unverhältnismäßige Härte dar.“

Abgesehen davon, dass das AG eine Erklärung schuldig geblieben ist, wovon der Angeklagte den Fahrer bezahlen soll, hat das LG die Rechtslage anders gesehen und nur noch ein Fahrverbot von drei Monaten (§ 44 StGB) verhängt:

„Der Führerschein des Angeklagten ist am 25.11.2012 sichergestellt worden. Der Angeklagte verzichtet damit seit nunmehr sieben Monaten auf seinen Führerschein. Nach den glaubhaften Angaben des Angeklagten handelt es sich bei der Tat um einen einmaligen und außergewöhnlichen Verstoß, welcher auch dadurch bedingt war, dass zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte die Trunkenheitsfahrt unternommen hat, der Vater des Angeklagten bereits schwer erkrankt war. Beeinflusst durch den Zustand seines Vaters hat der Angeklagte in erheblichem Maße Alkohol konsumiert und dennoch für die Fahrt nach Hause den Pkw des Vaters benutzt. Weitere Straftaten des Angeklagten, nach Begehung dieser Straftat, sind nicht bekannt geworden. Zudem war zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch seinen Onkel ab September 2013 die Arbeitslosigkeit droht. Der Angeklagte hat nachvollziehbar geschildert, dass er als Geselle im Gas- und Wasserinstallationsgewerbe auf eine Fahrerlaubnis angewiesen ist. So wird von einem Gesellen in diesem Gewerbe erwartet, dass er auch eigenständig Termine bei Kunden wahrnimmt und hierbei zum Transport von Werkzeuge und Material einen Pkw benutzt. Ohne Fahrerlaubnis bleibt dem Angeklagten der Arbeitsmarkt in seinem Ausbildungsbereich nahezu vollständig versperrt. Vor diesem Hintergrund kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte nach wie vor ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr ist. Die Kammer hat daher von der Anordnung einer Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB abgesehen.“

Der Fall zeigt schön, dass es sich eben doch lohnen kann, ggf. beim LG einen erneuten Anlauf zu nehmen, die Entziehung der Fahrerlaubnis zu verhindern. Abgesehen davon, dass das Zeitmoment dann vielleicht ein noch größere Rolle spielt als beim AG, sehen die LG die Dinge häufiger dann doch milder als das AG.

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