Das NSU-Verfahren ist nach dem – wenn ich richtig mitgezählt habe – 32. Verhandlungstag in eine (Sommer)Pause gegangen. Damit ist es in den nächsten Wochen ruhig um das Verfahren, voraussichtlich wird es nicht viel Berichterstattung geben – es sei denn, es passiert etwas Unvorhergesehenes – aber was sollte das schon sein.
Allerdings: Wer das Verfahren aus der Ferne mitverfolgt wird schon in den letzten Wochen festgestellt haben, dass es in München ruhig geworden ist. Nach dem anfänglichen Chaos um die Sitzplatzvergabe – gescheitertes Losverfahren, neues Verfahren, Verschiebung des Auftakttermins -, dem Auftakt mit dem an sich üblichen Szenario in Großverfahren – Einstellungsanträge, Ablehnungsanträge usw. – ist seit einiger Zeit Ruhe eingekehrt. Das merkt man z.B. auch daran, dass in den Blogs kaum noch über das Verfahren berichtet wird und auch die Presse sich teilweise mehr mit dem Randgeschehen des Verfahrens befasst als mit den eigentlichen Tatvorwürfen und der Beweisaufnahme. Nachdem die Frage, lassen sich die Angeklagten ein und wenn ja, wie, noch von allgemeinem Interesse war, ist eben für die breite Öffentlichkeit nicht (mehr so) interessant, über die Vernehmung des X. Zeugen zu lesen, der über ein Detail aussagt und befragt wird, dessen Bedeutung nur demjenigen bewusst/bekannt ist, der die Akten kennt. Und wer kennt die schon, wenn er nicht am Verfahren direkt beteiligtist? Da wird dann in der Berichterstattung schnell in den Randbereich ausgewichen und es werden Fragen behandelt, die in meinen Augen mehr dem „Yellow-Press-Bereich“ zuzuordnen sind, so z.B., ob ein Teil der Verteidiger von Frau Zschäpe nun Schampus getrunken hat oder nicht (s. unten)
Woran es liegt, dass Ruhe eingekehrt zu sein scheint, das wird man als Außenstehender, der nicht an den Hauptverhandlungsterminen teilnimmt und das Agieren und Reagieren der Verfahrensbeteiligten beobachten kann, nur schwer abschließend beurteilen können. Es bleibt also offen, ob der Vorsitzende die „Lufthoheit“ erworben hat (was ist das überhaupt?) und anders/besser auf das Verfahrensgeschehen reagiert als vielleicht noch zum Prozessauftakt. Oder hat es ggf. damit zu tun, dass man sich einfach aneinander gewöhnt und erkannt hat, dass man noch lange miteinander zu tun hat und es in der Sache nichts bringt, einen „Dauerkleinkrieg“ gegeneinander zu führen. Das Verfahren ist schon so – für alle Seiten – komplex genug, da muss nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen werden. Für mich hat jedenfalls das Verfahren – aus welchen Gründen auch immer – den zu erwartenden Verlauf genommen: Es ist nach den „Anfangsscharmützeln“ Ruhe eingekehrt, das ist der Verlauf bei fast allen Großverfahren. Und Platz ist auf der Zuschauertribüne auch. Wer will kann zuschauen.
Also: „Ein Sturm im Wasserglas“? – na ja passt nicht ganz, und „Viel Lärm um nichts“ passt auch nicht, aber vielleicht: „Sine ira et studio“. Auf jeden Fall aber – in Anlehnung an John Osborne: Ein Blick zurück ohne Zorn. Man kann nur hoffen, dass es so ruhig weitergeht und es nicht die Ruhe vor dem Sturm ist. Dafür ist das Verfahren zu wichtig.
Für alle diejenigen, die sich einen Überblick verschaffen wollen, hier dann eine Zusammenstellung der Postings, die sich in der letzten Zeit mit dem NSU-Verfahren befasst haben, eine Auslese aus unseren Wochenspiegeln, in denen auch noch auf weiter Beiträge verwiesen worden ist. Bei dem ein oder anderen Beitrag/Posting habe ich gedacht: Ah, so lange ist das also schon her:
1. Zum eigentlichen Verfahren
- NSU: 240 Journalisten waren bis heute nicht im Gericht,
- Der NSU-Prozeß in der Presse,
- NSU-Prozess: Zangengeburt und hechelndes Opfer,
- NSU: Wurde aus Carsten S. der V-Mann “Delhi”?
- Der “Zschäpe-Flüsterer” vom BKA,
- NSU: Familie Wohlleben und das Knabbergebäck-Handy
- Kampf und dem Gewinn der “Lufthoheit”,
- Verständigungsprobleme,
- Selbst auferlegter Aufschluss der Öffentlichkeit
- Neue Erkenntnisse über eine Nürnberger Telefon-Nummer,
- Eine Entschuldigung von Carsten S.,
- Die Woche im NSU-Prozess,
- Weiterer Anschlag in Nürnberg
- Nebenklägeranwalt,
- Briefwechsel von Beate Zschäpe,
- Zschäpe will Einstellung ihres Verfahrens,
- NSU-Prozess: Bockwurst war kein Feindbild,
- NSU: RA Pausch zieht die Notbremse – Aussage Carsten S. unterbrochen,
- Antrag zurückgenommen: Das Kreuz mit dem Kreuz im NSU-Verfahren,
- die Abtrennung,
- “Nebenklageamateuere“,
- Befangenheitsanträge,
- NSU-Verfahren: Erster Befangenheitsantrag abgelehnt,
- NSU-Verfahren: Und der zweite Befangenheitsantrag wird dann auch abgelehnt,
- Platzvergabe, siehe auch noch hier, oder hier, hier, und die Nachrückertombola, bzw. die weiteren Hinweise in unserem Wochenspiegel zu 15. KW., oder in dem zur 13. KW.,
- Zweiten Entscheidung aus Karlsruhe,
- Durchsuchung der Verteidiger,
- Die Frage, wer im deutschen Strafprozess die Hosen an hat,
2. Zum „Randgeschehen“
- Ja, ist denn die ganze Presse auf dem rechten Auge blind? sieht denn niemand den Zusammenhang der Namen der Verteidigung von Beate Zschäpe?,
- Mittäterschaft oder Beihilfe im Fall Zschäpe – Was meint Prof. Roxin?,
- Mittäterschaft von Beate Zschäpe,
- Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe wegen Mordversuchs in Erfurt eingestellt,
- Schweigen im Strafverfahren,
- „Nicht-mal-Reden-Dürfen“,
- “Einfach mal Plaudern“,
- “Schweigen ist Gold“,
- die Pflichtverteidigergebühren und die von Nebenklägerbeiständen in Umfangssverfahren, wie z.B. im NSU-Verfahren,
- Beate Zschäpe twittert – der Verfassungsschutz liest mit,
- Kommentar: Die Öffentlichkeit, schlechte Opferanwälte und der NSU-Prozess,
- Heer, Sturm, Stahl“,
- “Anschlag auf Verteidiger“,
- Beate Zschäpe als Model im „Eisenbahn-Kurier“?
3. Aus dem „Yellow-Press-Bereich“
- Solche Leute zu verteidigen gehört sich nicht,
- Zschäpe-Anwälte: Schampus als Privatsache,
- Das Killermandat,
- Ungehörig: Pflichtverteidiger nächtigen im Luxushotel,
- Brigitte“ und der NSU-Prozess,
- das Aussehen von Beate Zschäpe