Zur Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte ist in den vergangenen Tagen und Wochen einiges in den Blogs geschrieben worden. Ausgangspunkt waren die Strafverfahren, die gegen verschiedene Kollegen, die u.a. im Rahmen von Blogbeiträgen auch aus laufenden Verfahren berichten, eingeleitet worden waren (vgl. u.a. Bloggen kann gefährlich sein – Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat ein Ermittlungsverfahren wegen eines Blogbeitrags gegen mich eingeleitet; oder Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?) bzw. die Unterlagen aus Verfahren auf ihrer Homepage im Rahmen einer Dokumentation eingestellt hatte (vgl. dazu Mag die Staatsanwaltschaft Augsburg engagierte Strafverteidiger nicht? oder die Ermittlungen gegen G.Strate, vgl. auch noch hier).
Im “Fall Strate” als Ableger aus dem Fall Mollath“ hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg in einem gegen den Kollegen Strate wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen eingeleiteten Verfahren (§ 353d Nr. 3 StGB) beantragt, unter „Vorbehalt der Beschlagnahme des Datenspeichers des Servers und der Speichermedien, auf dem sich die im Antrag genannten Dokumente befinden, die Löschung der auf der Internetseite www.strate.net <http://www.strate.net> befindlichen Links und des zugehörigen Inhalts im Internet anzuordnen„. Den Antrag hat das AG Hamburg mit dem AG Hamburg, Beschl. v. 27.06.2013 – 166 Gs 377/13 -, den der Kollege Strate dankenwerter Weise auf seine Homepage hier eingestellt hat, zurückgewiesen.
Kurzzusammenfassung: Kein Anfangsverdacht, denn
- Die vom Kollegen Strate eingestellte Einstellungsverfügung wird nicht vom Schutzzweck der Norm des § 353d StGB erfasst.
- Die Veröffentlichung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 26.04.2013 sowie der gutachterlichen Stellungnahmen des BKH vom 04.03. und 16.04.2013 sind ebenfalls nicht tatbestandsmäßig. Bei der in regelmäßigen Zeitabständen zu erfolgenden Überprüfung der Unterbringung durch das LG Bayreuth gemäß § 67e StGB handelt es sich nicht um ein Strafverfahren.
- Auch die Veröffentlichung des Wiederaufnahmeantrages der StA Regensburg ist nicht tatbestandsmäßig. Zwar ist ein Wiederaufnahmeverfahren ein Strafverfahren im Sinne von § 353d Nr. 3 StGB, jedoch hat dieses Verfahren noch gar nicht begonnen. Das Wiederaufnahmeverfahren wird erst durch einen entsprechenden Beschlusses des LG Regensburg eingeleitet, mit dem die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Mollath angeordnet wird.
Liest sich doch ganz gut und wird die bloggenden Kollegen – mich natürlich auch – freuen. Vielleicht freuen sich aber auch der ein oder andere BVerfG- oder BGH-Richter. Denn die veröffentlichen ja auch aus laufenden Gerichtsverfahren 🙂 (vgl. dazu der Kollege Pohlen in: Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen: Ich muss nicht klüger als der BGH sein, oder vielleicht doch?).
Ich bin mal gespannt, ob die StA Hamburg den Beschluss so hinnimmt oder ob Beschwerde eingelegt wird. Zumindest aber schon mal ein Etappensieg.
Die Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte – zumindest ein Etappensieg duch das AG Hamburg via @burhoff http://t.co/rohPqqTaja
RT @burhoff: Die Strafbarkeit bloggender Rechtsanwälte – zumindest ein Etappensieg duch das AG Hamburg via @burhoff http://t.co/rohPqqTaja
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Mit Strafrecht und den Schutzgütern des § 353d StGB hat das in der Tat wenig zu tun, um so mehr aber vielleicht mit Persönlichkeitsrechten.
Finden Sie es im Ernst richtig und rechtmäßig, wenn Schriftstücke (Schriftsätze, Anklageschriften, Urteile usw.) aus Zivil- und Strafverfahren in nicht anonymisierter Form (!) als Vollscan ins Netz gestellt werden? Das vor allem ist doch der Tabubruch im „Fall Strate“ (und natürlich auch nichts, was „BVerfG- oder BGH-Richter“ jemals getan hätten).
Sorry, aber um die Frage(n) geht es in den Verfahren aber doch wohl gar nicht.
Nein, in Strafverfahren geht es in der Tat nur um die Strafbarkeit. Ich dachte, Sie hätten vielleicht auch zu der Folgefrage eine Meinung, und wäre interessiert gewesen, diese zu erfahren. Sorry, wenn Sie das jetzt überfordert hat.
Es ist rührend, wie Sie sich um meine Überforderung Gedanken machen. Danke.
Nur: Ich mag die Diskussionen nicht, die bei A anfangen, über B und C gehen und dann bei D enden. Das hat so etwas Trollartiges und dafür habe ich keine Zeit – und dazu auch keine Lust.
deutlich interessanter als die frage des schutzes von persönlichkeitsrechten finde ich das verhältnis von 353d zu art. 5 gg. es hat schon etwas von geheimjustiz, wenn ein beschuldigter nicht die gegen ihn erhobenen vorwürfe öffentlich machen darf.
dass herr strate im fall mollath dogmatisch sauber um die klippen des § 353d segelt, ist aller ehren wert. es ändert aber nichts an dieser leider völlig verfehlten norm.
Im nachfolgenden Fall hatte ein mutmaßlicher Kunstfälscher seine eigene Anklageschrift aus Gründen der Richtigstellung hochgeladen, nachdem es wilde Spekulationen über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der Presse gab. Der Kunstfälscherprozess verlief im Sande, nicht jedoch das vom eifrigen Staatsanwalt umgehend eingeleitete Verfahren wegen Verstoßes gegen § 353d Nr. 3 StGB (es gab eine – wenn auch geringe – Geldstrafe). Nachdem das BVerfG die Norm in den 80er Jahren im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle für verfassungsmäßig befunden, dabei jedoch die Frage ausdrücklich ausgelassen hat, ob auch eine mit dem Willen des Betroffenen erfolgte Veröffentlichung verfassungsrechtlich unzulässig ist, ist nun erstmals eine Verfassungsbeschwerde mit genau dieser Fragestellung anhängig: http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=2%20BvR%20429/12
Es bleibt zu hoffen, dass das BVerfG hierauf nicht – wie in über 90 % aller Verfahren – mit einem begründungslosen Nichtannahmebeschluss reagiert, sondern die Verfassungsmäßigkeit des umtrittenen Maulkorbparagraphen ein für alle Mal klärt.
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