Wer schon mal bei mir im Fachanwaltskurs oder auf einer Fortbildung war, der weiß: Ein Standardspruch ist: „Vergessen/Übersehen Sie die verkehrsstrafrechtlichen Grundbegriffe nicht.“ Es sind sechs – Fahrzeug, Kraftfahrzeug, Führen, Verkehr, Straßenverkehr und die Öffentlichkeit. Vor allem die Öffentlichkeit ist wichtig und hier bieten sich m.E. nicht selten gute Verteidigungsansätze, die man nicht übersehen sollte. Das zeigen auch immer wieder obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit der Problematik auseinander setzen. Zuletzt jetzt (gerade) der BGH, Beschl. v. 30.01.2013 – 4 StR 527/12, in dem der BGH die Rechtsprechung zum Begriff des „öffentlichen Verkehrsraums“ noch einmal schön zusammengefasst hat, nämlich:
„Tathandlung des § 316 Abs. 1 StGB ist das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr. Nach § 2 Abs. 1 StVG bedarf der Fahrerlaubnis, wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt. Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tat-sächlich so genutzt wird (Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; Senatsbeschluss vom 8. Juni 2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625; SSW-StGB/Ernemann, § 142 Rn. 9). Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen. Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig „öffentlich“ und zu anderen Zeiten „nicht-öffentlich“ sein (Geppert in LK-StGB, 12. Aufl., § 142 Rn. 14). Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (vgl. Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGHSt 49, 128, 129; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 120; Pasker, NZV 1992, 120, 121).“
Und letzteres ist ganz wichtig und hat in der BGH-Entscheidung auch die entscheidende Rolle gespielt: Da hatte sich nämlich folgendes ereignet.
„…Der Zeuge S. , der vom Vermieter des Parkplatzes mit dem regelmäßigen Öffnen und Schließen zweier dort befindlicher Schranken beauftragt war, erfasste die Situation zunächst nicht richtig und rief den Angeklagten zu, sie sollten den Parkplatz mit ihrem Pkw verlassen, damit er die Schranke schließen könne. Der Angeklagte R. antwortete sinngemäß, er solle sich keine Gedanken machen, sie kämen schon vom Parkplatz herunter. Daraufhin ging der Zeuge weiter und schloss die Schranke der Parkplatzzufahrt. Als der Zeuge wenig später sah, wie die Angeklagten R. und K. auf den am Boden liegenden Geschädigten mit voller Wucht eintraten, alarmierte er die Polizei (Fall II. 3 der Urteilsgründe). Im Anschluss an die Misshandlung des Geschädigten bestiegen die An-geklagten erneut den Pkw, wobei R. das Fahrzeug führte. Zunächst versuchte er, mit dem Pkw die Tankstelle zu umfahren und vorbei an einer be-nachbarten Diskothek auf die M. Straße zu gelangen, was an einer Begrenzung scheiterte. Anschließend fuhr er dieselbe Strecke zurück und lenkte das Fahrzeug an der geschlossenen Schranke vorbei. Er erreichte die M. Straße erneut nicht, da er nunmehr einen kleinen Erdwall vor sich hat- te. An dieser Stelle blieb er nach einer Fahrtstrecke von ungefähr 220 Metern endgültig stehen (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
Dazu dann der BGH:
„c) Nachdem der Zeuge S. die Angeklagten zum Verlassen des Park- platzes aufgefordert und daraufhin die Schranke der Zufahrt geschlossen hatte, gehörte das Parkplatzgelände, auf dem der Pkw stand, nicht mehr zum öffent-lichen Verkehrsraum. Denn der Wille des Verfügungsberechtigten, den Park-platz ab diesem Zeitpunkt der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung zu stel-len, war nach außen manifest geworden. Dies war für jedermann unmissverständlich erkennbar (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1992, 120). Die Fahrt des Angeklagten R. auf dem Parkplatzgelände (Fall II. 4 der Urteilsgründe) fand deshalb nicht im öffentlichen Straßenverkehr statt und war somit nicht tatbestandsmäßig im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 316 Abs. 1 StGB. „
Also nicht vergessen: Zeitweilig öffentlich, zeitweilig nicht öffentlich…..
Ah ja, das letzte Problem meiner Revisionsklausur: Fahrerflucht auf dem Lehrerparkplatz. Eigentlich hatte ich es übersehen, aber irgendwo musste es ja noch ein materielles Problem geben und dann die Feststellungen zu dem Schild „Parken nur für Lehrer“ ließen mich dann doch in den letzten paar Minuten noch einmal hinsichtlich der Öffentlichkeit in den Kommentar schauen und, la voilà, gab es auch materielle Gründe das Urteil zu attackieren. (Sehr schön auch die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Wahrunterstellung, dass das Gericht ohnehin davon ausgeht, dass die Zeugin lügen wird.)
Ich mache zwar kein Strafrecht mehr, aber doch immer wieder schön so einen Fall zu sehen. Da fühlt man sich dann wieder wie im Referendariat.
Back to the roots :-). Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?