Bis zur Änderung des § 76 GVG zum 01.01.2012 war die Frage, die sich die Strafkammer hinsichtlich ihrer Besetzung stellen musste: Dreier oder Zweierbesetzung. Nach den Änderungen (vgl. dazu hier What´s new – im Strafverfahren? Reduzierte Besetzung der StK nicht mehr nur befristet… und noch mehr) lautet es genau umgekehrt: Zweit oder Dreierbesetzung. Denn nun ist die Strafkammer grundsätzlich nur mit zwei Berufsrichtern besetzt, die Dreierbesetzung ist die Ausnahme. Die damit zusammenhängenden Fragen behandelt jetzt noch einmal der BGH, Beschl. v. 20.12.2012 – 3 StR 407/12-, über den ich schon in anderem Zusammenhang berichtet hatte (vgl. hier Anpflanzung von Cannabis – Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge?).
Die Angeklagten hatten mit ihren Verfahrensrügen u.a. beanstandet, dass das mit zwei Berufsrichtern besetzte LG nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, da nach Umfang und Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig gewesen sei (Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO, § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG a.F.). Anmerkung: Wer es sucht im BGH, Beschl: Steht fast am Ende der langen Entscheidungsgründe
Diese Rüge hatte beim BGH keinen Erfolg. Denn die noch nach altem Recht ergangene Entscheidung der Strafkammer war nach Auffassung des BGH nicht objektiv willkürlich:
„Wie sich insbesondere aus dem die Besetzungseinwände zurückwei-senden Beschluss der Kammer ergibt, ist diese von den zutreffenden Maßstäben bei der Beantwortung der Frage ausgegangen, ob die Hinzuziehung eines dritten Richters notwendig erscheint. Dabei hat sie die Anzahl von fünf Angeklagten und zehn Verteidigern, der insgesamt 13 Delikte sowie der 22 Zeugen bedacht. Zudem hat sie berücksichtigt, dass die Anklagevorwürfe gegen die Angeklagten weitgehend gleichgelagert waren, die Hinzuziehung von Dolmetschern entbehrlich war, die Akten vier Bände nebst einigen Sonderheften um-fassten, sich zwei Angeklagte im Ermittlungsverfahren umfangreich eingelassen hatten und zwei gegebenenfalls einzuholende Sachverständigengutachten keinen besonderen Umfang erwarten ließen. Demnach hat sich die Kammer weder auf sachfremde Erwägungen gestützt noch den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten. Dass gegebenenfalls auch eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen haben könnte und die Hauptverhandlung schließlich an 17 Tagen stattfand, lässt es nicht zu, die ursprüngliche Besetzungsentscheidung als objektiv willkürlich zu bewerten.war, weil diese den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat (BGHSt 44, 328, 333; NJW 2003, 3644, 3645). „
Wie gesagt: Die Entscheidung ist noch zur Rechtslage vor dem 01. 01. 2012 ergangen. Aus der Entscheidung lässt sich aber dennoch auch etwas zur neuen Rechtslage entnehmen: Nämlich die Auffassung des BGH, dass bei den festgestellten Verfahrensumständen offenbar wohl die „Dreierbesetzung“ vorzuziehen gewesen wäre – „sogar näher gelegen haben könnte“ -, wenn gleich die andere Entscheidung des LG (noch) nicht objektiv willkürlich war. Nachträglich eingetretene weitere Umstände führen nicht zur Willkürlichkeit der ursprünglichen Entscheidung. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach § 76 Abs. 3 GVG jetzt ein Regelfall mit der Folge der „Dreierbesetzung“ vorliegt, wenn von vorherein abzusehen ist, dass die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als 10 Hauptverhandlungstage dauern wird. Das war hier allerdings wohl nicht der Fall.