Das 2. KostRMoG geht seinen Weg. Inzwischen liegt das Gesetzesvorhaben beim Bundestag (vgl. hier die BT-Drucksache 17/11471). Ich hatte ja schon mehrfach über dieses Gesetzesvorhaben und die im RVG zu erwartenden Änderungen berichtet (vgl. u.a. hier).
Über eine (vorgesehene) Klarstellung hatte ich mich besonders gefreut, obwohl sie m.E. gar nicht nötig gewesen wäre, nämlich die Änderung/Klarstellung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG betreffend den Zeugenbeistand (vgl. hier das Posting: Zeugenbeistand – da gibt es demnächst mehr Gebühren, und zwar nicht nur Kleinvieh). Abgerechnet werden sollte die “wie ein Verteidiger”, also auf jeden Fall nach Teil 4 Abschnitt1 VV RVG, was ich schon immer vertreten habe, wogegen aber z.T. die OLG Sturm laufen.
Es war klar, dass den Ländern diese Regelung nicht passen würde. Und so ist es auch gekommen. In ihrer Stellungnahme in der BR-Drucksache 517/12 hatten sie dagegen eingewandt: Nicht nötig, macht zu viel Kosten (der Einwand war zu erwarten), keine sachgerechten Ergebnisse). Und was passiert? Die Bundesregeirung knickt ein und kneift. In ihrer Stellungnahme (s. BT-Drucksache 17/11471, S. 588) heißt es dazu nämlich:
„Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates, dass die vorgeschlagene Änderung nicht in allen Fällen zu einem sachgerechten Ergebnis führt. Die in der Praxis aufgetretenen Fragen bei der Vergütung eines Zeugenbeistands in einem Strafverfahren sollten einer genaueren Überprüfung unterzogen werden und erst in einem späteren Gesetzgebungsvorhaben geklärt werden“.
In meinen Augen nicht nachvollziehbar. Über § 14 RVG kann man nämlich zu sachgerechten Ergebnissen kommen, wenn die Tätigkeit des Zeugenbeistands wirklich geringer (gewesen) sein sollte als die des Verteidigers. Jetzt wird die offenbar ja zunächst als erforderlich angesehene Klarstellung verschoben – „in einem späteren Gesetzgebungsvorhaben “ heißt „bis zum St. Nimmerleinstag“ und bis dahin dürfen die OLG sich dann streiten.
Allerdings werden sie sich m.E. mit dem ursprünglichen Gesetzesentwurf auseinander setzen müssen. Denn da hat der Gesetzgeber ja mehr als deutlich geschrieben, wie die derzeitige Regelung, die nun beibehalten wird, zu verstehen ist: Nämlich Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Aber welches OLG lässt sich davon schon überzeugen? Ich sehe schon die Formulierung: „… nach ständiger Rechtsprechung des Senats….“
Ich fürchte auch, dass es in meinem Bereich (OLG Celle) für den Zeugenbeistand bei einer Einzeltätigkeit bleiben wird. Schade Chance verpasst!
Die Bundesregierung (!) ist also Ihrer Meinung nach „der Gesetzgeber“, der in gescheiterten (!) Gesetzentwürfen verbindliche Hinweise darauf gibt, wie das geltende Recht auszulegen ist. Ganz großes Kino!
(Methodisch zulässigerweise kann natürlich im Gegenteil nur der Grund des Scheiterns einer vorgeschlagenen Gesetzesänderung berücksichtigt werden – und das ist die jetzt bekundete Auffassung der Bundesregierung und vor allem des Bundesrats, wonach die vorgeschlagene Änderung eben nicht zu einem sachgerechten Ergebnis führe. „Sollte man eigentlich wissen“, würden Sie anderen hierzu vermutlich ins Stammbuch schreiben.)
Es ist immer wieder beruhigend, von so viel geballtem Wissen umgeben zu sein, nur leider (meist) anonym.
Und warum soll man nicht auch aus „gescheiterten Gesetzesentwürfen“ Argumente für eine bestimmte Gesetzesauslegung ziehen können. Wir lesen doch in vielen Entscheidungen, was sich der Gesetzgeber alles gedacht hat. Und das sind übrigens Gesetzesentwürfe der Regierung, des BR oder der Fraktionen.
Im Übrigen: Ob das derzeitige von den OLG bevorzugte Ergebnis sachgerecht ist, wage ich zu bezweifeln. Aber die Diskussion bringt an dieser Stelle nichts.
Oh, dann lohnt es vielleicht doch, einmal ausdrücklich festzuhalten, dass Bundesgesetze vom Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrats beschlossen werden (Artt. 77 f. GG) und die Begründung eines etwa vorhandenen Regierungsentwurfs für ihre Interpretation nur insoweit beachtlich ist, als die genannten Gesetzgebungsorgane sie sich mit dem Gesetzesbeschluss zu eigen gemacht haben.
Hieraus folgt zwanglos, dass die Erwägungen, die der im federführenden Ministerium zuständige Referent in einen am Ende gar nicht erst dem Bundestag vorgelegten Entwurf hineingeschrieben hat, selbstverständlich unbeachtlich sind.