Der EuGH hat demnächst mal wieder über eine deutsche Fahrerlaubnisfrage zu entscheiden. Allerdings geht es nicht um den Dauerbrenner „Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis“, sondern um die Frage, ob ein stark sehbehinderter/fehlsichtiger Mensch eine Fahrerlaubnis bekommen kann oder nicht. Diese Frage hat der VGH Bayern mit Beschl. v. 05.07.2012 – 11 BV 1764/11 – denm EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
„Mit Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) ein Verfahren ausgesetzt, in dem ein stark fehlsichtiger Mensch (Sehschärfe auf dem einen Auge unter 0,1) eine Fahrerlaubnis für die LKW-Klassen C1 und C1E (3,5 bis 7,5 t) begehrt. Dem EuGH wurde die Frage vorgelegt, ob Bestimmungen der aktuell geltenden europäischen Führerscheinrichtlinie mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar sind.
Nach Auffassung des BayVGH steht der Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E an den Kläger eine Vorschrift des deutschen Rechts entgegen, mit der Bestimmungen der europäischen Führerscheinrichtlinie umgesetzt werden. Diese Vorschrift sei jedoch teilweise ungültig, weil sie unter bestimmten, beim Kläger (und bei zahlreichen anderen betroffenen Personen) erfüllten Voraussetzungen in Widerspruch vor allem zu dem Grundrecht stehe, nicht wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden.
Die in Rede stehende deutsche Vorschrift fordert, dass folgende Sehschärfewerte nicht unterschritten werden: Sehschärfe des besseren Auges oder beidäugige Sehschärfe: 0,8, Sehschärfe des schlechteren Auges: 0,5. In Einzelfällen kann unter Berücksichtigung von Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung der Visus des schlechteren Auges für die Klassen C, CE, C1, C1E unter 0,5 liegen, ein Wert von 0,1 darf nicht unterschritten werden. Im Berufungsverfahren (vor dem Verwaltungsgericht Regensburg war die Klage erfolglos geblieben) hat der BayVGH Gutachten von zwei augenärztlichen Sachverständigen eingeholt. Danach bestehe kein Anlass, Menschen mit einer einseitigen Sehschärfe unter 0,1 die Fahrerlaubnis für die Klassen C1 und C1E zu versagen, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt seien: Es müsse sich um beidäugig sehende Personen handeln (d.h. nicht anatomisch einäugig, beide anatomisch vorhandenen Augen nehmen am Sehvorgang teil), die Betroffenen müssten auf jedem Auge ein normales Gesichtsfeld haben, und die Betroffenen müssten in der Lage sein, ein bei ihnen nicht vorhandenes räumliches Sehvermögen vollständig zu kompensieren.
Da mit der deutschen Rechtsvorschrift die europäische Führerscheinrichtlinie umgesetzt wird und ein nationales Gericht europäisches Recht nicht verwerfen darf, stellt der BayVGH dem EuGH folgende Frage zur Vereinbarkeit der EU-Führerscheinrichtlinie mit der EUGrundrechtecharta: „Ist die Nummer 6.4 des Anhangs III der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 vom 30.12.2006, S. 18) in der Fassung der Richtlinie 2009/113/EG der Kommission vom 25. August 2009 (ABl L 223 vom 26.8.2009, S. 31) insoweit mit Art. 20, Art. 21 Abs. 1 und Art. 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar, als diese Vorschrift – ohne die Möglichkeit einer Ausnahme vorzusehen – von Bewerbern um eine Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E auch dann eine Mindestsehschärfe von 0,1 auf dem schlechteren Auge verlangt, wenn diese Personen beidäugig sehen und auf beiden Augen über ein normales Gesichtsfeld verfügen?“ Nach Beantwortung dieser Frage durch den EuGH wird das Berufungsverfahren vor dem BayVGH fortgesetzt werden.“
Ich hab seit 1988 meine Fahrerlaubnis und bei bestehender funktioneller Einäugigkeit legal erworben – damals lautete die eingetragene Auflage „2. Außenspiegel, rechts“, der ja heute Standard ist – insoweit wurde die Auflage bei „Wandlung“ in den EU-Führerschein nicht mit aufgenommen.
Müsste ich nun mit diesem Bestand eine Entziehung der FE „aus gesundheitlichen Gründen“ fürchten?
Sorry, bin kein Verwaltungsrechtler. Aus dem Bauch heraus: Nein.