Geht doch: Beweisverwertungsverbot nach Wohnungsdurchsuchung

Ein wenig unbeachtet geblieben ist bislang der BGH, Beschl. v. 30.08.2011 – 3 StR 210/11. Und das ist unberechtigt, denn wann kommt der BGH schon mal – so wie in diesem Beschluss – zu einem Beweisverwertungsverbot nach einer Wohnungsdurchsuchung, die nur von den Ermittlungsbehörden angeordnet worden ist. Meist wird doch alles gesund gebetet. Nicht so in diesem Beschluss.

Der Sachverhalt: Im November 2009 wurde gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das BtMG eingeleitet. Auf richterliche Anordnung wurde ab Januar 2010 die Telekommunikation des Angeklagten überwacht. Hieraus ergaben sich Anhaltspunkte für eine Beschaffungsfahrt am 11./12.2. 2010 in die Niederlande, bei der es zwar zu einer Anzahlung, aber aufgrund der schlechten Qualität nicht zu einer Einfuhr der BtM gekommen sein soll. Am Mittag des 17. 2. 2010 ergab die Überwachung der Telekommunikation, dass der Angeklagte mit der Mitangeklagten A. K. sowie seiner früheren Freundin noch an diesem Tag erneut eine Beschaffungsfahrt unternehmen werde. Ab dem frühen Abend hielten sich Einsatzkräfte der Polizei für eine spätere Wohnungsdurchsuchung bereit und observierten den Angeklagten, der – wie die Mitangeklagte und seine frühere Freundin – nach der Wiedereinreise kurz nach 22.00 Uhr desselben Tages vorläufig festgenommen wurde. Der sachbearbeitende Polizeibeamte kontaktierte zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr die diensthabende Staatsanwältin, die Durchsuchungen in den Wohnungen der vorläufig Festgenommenen wegen Gefahr im Verzug anordnete. Die Anordnung wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Erlass nicht schriftlich dokumentiert. Der sachbearbeitende Polizeibeamte hatte sich vor dem Ende des richterlichen Bereitschaftsdienstes bei dem AG Düsseldorf um 21.00 Uhr nicht um den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen durch den Ermittlungsrichter bemüht, weil er die bis zum Nachmittag des 17. 2. 2010 erlangten Erkenntnisse für zu vage hielt, im Verlauf des 17. 2. 2010 mit sonstigen Dingen befasst war und die Erfahrung gemacht hatte, Durchsuchungsbeschlüsse aufgrund von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung würden nicht „auf Halde produziert“.

Bei der Durchsuchung wurde im Zimmer des Angeklagten in der elterlichen Wohnung neben BtM in nicht geringer Menge ein Schlagring aufgefunden. Auch im ebenfalls durchsuchten Zimmer seiner früheren Freundin wurden Betäubungsmittel in nicht geringer Menge aufgefunden, die dort mit deren Wissen gelagert waren. Die aufgefundenen BtM waren überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt.

Trotz des in der Hauptverhandlung erhobenen Widerspruchs des Verteidigers gegen die Verwertung das LG die aus den Durchsuchungen erlangten Erkenntnisse der Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das BtMG zugrunde gelegt.

Der BGH beanstandet das zu Recht und verneint „Gefahr im Verzug“. Die Notwendigkeit einer Durchsuchung habe sich spätestens am Nachmittag des 17. 2. 2010 aufgrund der sich für den Abend konkret abzeichnenden Beschaffungsfahrt aufgedrängt. Nur durch einen alsbaldigen Zugriff wäre auszuschließen gewesen, dass mögliche Mittäter in den Wohnungen befindliche BtM beseitigten. Dementsprechend hätten sich ab dem frühen Abend auch weitere Kräfte für die Durchsuchungen bereitgehalten. Darüber hinaus hätten dem Polizeibeamten bereits seit Januar 2010 Erkenntnisse vorgelegen, die zu einer richterlich angeordneten Telekommunikationsüberwachung geführt hatten, so dass sich die Notwendigkeit einer alsbaldigen Wohnungsdurchsuchung evident ergeben habe, eine überraschende Verfahrenssituation mithin nicht vorlag. Daher konnte die erst nach 22.00 h erlassene Durchsuchungsanordnung der StA – ungeachtet einer ebenfalls unterlassenen Dokumentation (vgl. hierzu BVerfG StraFo 2006, 386) – nicht mehr auf Gefahr im Verzug gestützt werden.

Und – BGHSt 51, 285 lässt grüßen – er bejaht ein  Beweisverwertungsverbot. Dabei geht er von einem schwerwiegenden Verstoß aus, wobei er auf Folgendes abstellt:

–        Wenn sich der sachbearbeitende Polizeibeamte Gedanken darum machte, ob ein Ersuchen um Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses erfolgversprechend sei, war er – von einem sonst möglicherweise bestehenden Organisationsmangel abgesehen – ersichtlich nicht durch eine Überlastung daran gehindert, die Gesetzmäßigkeit seines Vorgehens zu überprüfen.

–        Seine Annahme, die von ihm gewonnenen Erkenntnisse hätten zwar im Januar 2010 für den Erlass einer Anordnung auf der Grundlage der §§ 100a, 100b StPO ausgereicht, eine Anordnung nach §§ 102, 105 StPO am Nachmittag des 17. 2. 2010 trotz der weiteren Verdichtung des Tatverdachts aber (noch) nicht getragen, ist nicht nachzuvollziehen.

–        Da am Nachmittag des 17. 2. 2010 feststand, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit noch am selben Tag eine vorläufige Festnahme des Angeklagten erfolgen werde, die eine Durchsuchung nach sich ziehen werde, konnte auch ein „Erfahrungswert“ des sachbearbeitenden Polizeibeamten zu Vorratsbeschlüssen des Ermittlungsrichters offensichtlich keine Verbindlichkeit beanspruchen.

Und: Kein hypothetischer Ersatzeingriff – auch insoweit lässt BGHSt 51, 285 grüßen.

Gekniffen hat der Senta Senat dann allerdings bei der Frage, ob für eine Großstadt wie Düssedorf ein nächtlicher richterlicher Eildienst eingerichtet werden muss (s. auch schon BGH StRR 2010, 162 [Ls.]). Irgendwann wird das nicht mehr gehen und der BGH muss Farbe bekennen.

Aber dennoch: Schöne Entscheidung, oder: geht doch :-).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert