Nach der Neuregelung der Absprachepraxis in § 257c StPO wird unterschieden zwischen der Verständigung i.S. der StPO und dem sog. (unzulässigen) Deal. Unter ersterem versteht man eine Verständigung i.S. der StPO, bei der die gesetzlichen Vorgaben und Regeln eingehalten worden sind, unter letzterem eine Verständigung, die den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht. Fraglich und umstritten ist, ob auf den Deal auch die Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts gemäß § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO Anwendung findet. Mit der Frage setzt sich der OLG Celle, Beschl. v. 27.19.2011 –1 Ws 381/11 – auseinander. Die Ausführungen des OLG sind zwar „nicht tragend“, lassen aber die Auffassung des Senats deutlich erkennen:
„Inwieweit die Regelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO auf Verständigungen „praeter legem“ Anwendung findet, ist umstritten und derzeit obergerichtlich nicht entschieden (ausdrücklich offen gelassen in BGH, Beschl. v. 27. Oktober 2010, 5 StR 419/10, NStZ 2011, 473). Für zulässig erachtet hat der BGH die Rücknahme einer Revision, die am Tage der Verkündung gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil eingelegt wurde, binnen einer Stunde nach deren Einlegung (Beschl. vom 14. April 2010, 1 StR 64/10, BGHSt 55, 82). In den Entscheidungsgründen wird allerdings ausdrücklich betont, dass dies keine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften sei, weil für den Angeklagten bei Einlegung und anschließender Rücknahme eines Rechtsmittels eine andere Entscheidungssituation gegeben sei als bei einer in der Hauptverhandlung u.U. vorschnell abgegebenen Verzichtserklärung.
Vereinzelt wird vertreten, dass die Regelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nur auf die Fälle einer Verständigung i. S. d. § 257c StPO bzw. solche Verständigungen, die zumindest die „Essentialia“ der Verständigungsordnung wahren, beschränkt sei, um die Rechtsunsicherheit nicht unnötig zu beeinträchtigen. So seien schon zuvor Verständigungen, die nicht gesetzlichen bzw. höchstrichterlichen Anforderungen genügten, für insgesamt unbeachtlich gehalten worden (Bittmann, wistra 2009, 414; ders. NStZ-RR 2011, 102ff.).
Diese Rechtsauffassung ist jedoch nur schwer mit der Entstehungsgeschichte der Norm des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO in Einklang zu bringen. Noch vor der gesetzlichen Regelung hatte der Große Senat für Strafsachen beim BGH am 3. März 2005 (BGHSt 50, 40) entschieden, dass ein Rechtsmittelverzicht nach unzulässigen Urteilsabsprachen, die eben einen solchen Rechtsmittelverzicht zum Gegenstand haben, unwirksam ist, wenn der Angeklagte zuvor nicht qualifiziert belehrt wurde. Nachdem im Gesetzgebungsverfahren diese qualifizierte Belehrung nach der Vorgabe des BGH als ausreichend erachtet wurde (Regierungsentwurf, BT-Drs 16/12310; Bundesratsentwurf, BT-Drs 16/4197), entschied sich der Gesetzgeber letztlich auf Empfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs 16/13095) für die gänzliche Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in der Form des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO. Zweck dieser Regelung war eine Ausdehnung der Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts auf alle Urteile, denen eine Verständigung vorausging, nicht hingegen eine Einschränkung gegenüber der früheren Rechtsprechung.
Deswegen wird mit guter Begründung vertreten, dass die Regelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO erst Recht auf solche Absprachen bzw. Verständigungen Anwendung finden muss, die den gesetzlichen Vorgaben des § 257c StPO nicht entsprechen und die es in dieser Form eigentlich gar nicht geben dürfte (so Kudlich, Gutachten zum 68. DJT, S. C 55f; Jahn/Müller, NJW 2009, 2625, 2630 m.w.N.)“
Mich überzeugt es. Mal sehen, was andere Revisionsgerichte mit der Frage machen.
Die Fortbildung des Rechts sollte eindeutig dahin gehen, dass der Kriminelle eine Voranfrage beim jeweiligen Polizeipräsidium und der Justiz macht, um sich je nach Begehungsart „Angebote“ einzuholen – so wie bei der Voranfrage ans Finanzamt. Das würde viel Kopfzerbrechen ersparen.
sorry, aber der Kommentar liegt nun wirklich neben der Sache